Zwölf Wochen in Riad

Zwölf Wochen in Riad
Zwölf Wochen in Riad
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Carola Krauße-Reim
10101

Sachbuch-Couch Rezension vonAug 2021

Wissen

„Zwölf Wochen in Riad“ ist geballte Information im ungezwungen kurzweiligen Gewand. Susanne Koelbl bringt allen Interessierten auf sehr persönliche Weise das bis heute noch meist unbekannte Saudi Arabien näher

Ausstattung

Persönliche Einblicke in ein noch immer unbekanntes Land

Die Journalistin Susanne Koelbl ist Auslands-Reporterin beim Spiegel und hat in dieser Funktion schon aus einigen Krisen- und Kriegsgebieten berichtet, darunter Syrien, Nordkorea, Afghanistan oder das ehemalige Jugoslawien. 2018 ist ihr gelungen, was bisher unmöglich schien – sie durfte als Frau und Ausländerin alleine drei Monate in Riad leben und sich dort nahezu frei bewegen. Bereits 2019 erschien ihr dadurch entstandenes Buch. Die jetzt vorliegende Paperback-Ausgabe wurde aktualisiert und erweitert.

Ein Land im Wandel

Saudi Arabien ist immer noch ein weitgehend unbekanntes Land. Nach der radikalen Islamisierung in Folge der Besetzung der Großen Moschee in Mekka 1979, hat sich der bis dahin relativ westlich orientierte Staat vollkommen abgeschottet. Der Ölboom garantierte Wohlstand, das Haus der Sauds Stabilität. 2015 wird Salman König, sein Sohn Mohammed bin Salman bald Kronprinz. Prinz Mohammed ruft das Transformationsprogramm „Vision 2030“ ins Leben, das Saudi Arabien reformieren und eine Wirtschaft ohne die Grundlage des an Bedeutung verlierenden Öls aufbauen soll. Susanne Koelbl geht den Ankündigungen von mehr Frauenrechten und einem offeneren Staat nach. Sie erzählt von ganz persönlichen Begegnungen mit Frauen, die auf Gleichberechtigung hoffen; von Männern, die sich damit schwer tun; von Hochzeiten und Wüstensafaris. Sie frühstückte mit königlichen Hoheiten und traf den Bombenbauer Osama Bin Ladens - „jede Begegnung im Königreich ist ein kleines Abenteuer“. Doch sie musste die Namen der getroffenen Privatpersonen ändern um sie zu schützen, denn die angestrebte Liberalisierung des Kronprinzen bedeutet leider nicht uneingeschränkte Meinungsfreiheit.

MBS oder Bulldozer

Grundlage für alle Begegnungen ist die Frage, ob „Vision 2030“ realisierbar ist und was sie überhaupt beinhaltet. Initiator und Kronprinz Mohammed bin Salman, gerne kurz MBS genannt, ist eine ambivalente Persönlichkeit, die sich gerne selbst als Bulldozer bezeichnet. Er gilt als „impulsiv“, „sehr emotional“ und „neige zum Jähzorn“. Das man sich besser nicht mit ihm anlegt, wird schnell klar, als er Widersacher in einer Säuberungsaktion kurzerhand im Ritz in Riad interniert (nicht alle überleben das Luxusgefängnis) oder der Journalist Jamal Khashoggi ermordet und entsorgt wird. Gleichzeitig ermöglicht er bislang Verbotenes, wie Konzerte, Kinos oder erweiterte Rechte für Frauen. Susanne Koelbl nähert sich diesem Mann genauso behutsam und dennoch tiefgehend, wie allen anderen Begegnungen. Immer wieder hinterfragt sie, will allem auf den Grund gehen. Dabei gibt sie auch Einblicke in die Geschichte, zeigt Seiten des Landes, die man so noch nicht wahrgenommen hat und erreicht damit Einblicke in den ultrakonservativen Klerus, die staatlichen Machtorgane, aber vor allem in die Lage der Frauen, die meist noch immer abgeschottet hinter dicken Mauern leben oder zumindest unter Abaja und Nikab verschwinden.

Kleine Geschichten mit viel Inhalt

Susanne Koelbl ist ein ebenso informatives wie sehr persönliches Buch gelungen. In kurzen Kapiteln erschließen sich dem Leser alle Aspekte des Lebens in Saudi Arabien und der ganze Umfang der geplanten Veränderungen. Selbst die Ausführungen zur Geschichte sind alles andere als trocken erzählt. Fast im Plauderton erfährt der Leser vom Wandel des Beduinenstaates hin zum Ölgiganten am Golf, von den aktuellen Problemen rund um die Resource Wasser und der katastrophalen Bilanz was Menschenrechte angeht. Die großen und kleinen Veränderungen und die ebenso großen Fragen an die Zukunft verpackt die Autorin gekonnt und überaus interessant zu lesen in die Begegnungen mit den Menschen im Land. Dabei kommt auch der Humor in zahlreichen Anekdoten nicht zu kurz, wenn etwa ihr Vermieter sie unbedingt vor dem Satan bewahren will oder der Kauf des Duftstoffes Oud für den Händler weniger gut ausgeht.

Fazit

„Zwölf Wochen in Riad“ ist geballte Information im ungezwungen kurzweiligen Gewand. Susanne Koelbl bringt allen Interessierten auf sehr persönliche Weise das bis heute noch meist unbekannte Saudi Arabien näher, wobei sie kurzweilig in die Vergangenheit blickt und die Gegenwart durch die Menschen, die sie kennengelernt hat anschaulich porträtiert.

Zwölf Wochen in Riad

Susanne Koelbl, Penguin

Zwölf Wochen in Riad

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