Wildes Land

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Carola Krauße-Reim
9101

Sachbuch-Couch Rezension vonMai 2022

Wissen

Learning by doing ist das Motto, welches zu umfassendem Wissen führt. Allerdings wird außer Acht gelassen, dass Konsumverhalten und Landwirtschaft eng miteinander verknüpft sind.

Ausstattung

Wunderbare Fotos, eine Zeitleiste und Biografie ergänzen den Text

Die Wildnis kehrt zurück

Isabella Tree und ihr Mann Charlie bewirtschafteten jahrelang ihren Agrarbetrieb immer intensiver und spezialisierter, bis er trotz aller Bemühungen kurz vor der Pleite stand. Ihr Schloss Knepp mit seinem 1400 Hektar großen Areal liegt in West Sussex, das für seinen lehmigen Boden bekannt ist, der eine einträgliche Landwirtschaft kaum zulässt. Isabella und Charlie beschließen ihr Anwesen ganz der Natur zu überlassen – ein umfangreiches Projekt des „Rewilding“ fand seinen Anfang.

Vom Landwirtschaftsbetrieb zum Forschungsobjekt

Im Jahr 2000 verkauften Isabella und Charlie alle ihre Maschinen, verpachteten einige Felder und starteten in ein Projekt, dessen Ausgang sie nicht erahnen konnten. Sie teilten das Areal rund um Knepp in drei Zonen, die sie nach und nach der Wildnis zurückgaben. Das Ehepaar entwickelte im Laufe der Jahre unterschiedliche Konzepte für Flora und Fauna, so dass diese wieder Fuß auf dem ausgelaugten Boden fassen konnten. Dabei zeigte sich, dass gerade der Südblock, der aus verschiedenen Gründen jahrelang einfach sich selbst überlassen wurde, am schnellsten zu ursprünglichem Bewuchs und Beschaffenheit zurückkehrte.

Nach und nach kamen auf dem ganzen Gelände längst verschwundene Pflanzen wieder zum Vorschein; Tiere, wie Nachtigall und Turteltaube wurden von alleine heimisch, während andere, wie z.B. Longhorn-Rinder, Exmoor-Ponys, Tamworth-Schweine, Rot- und Damwild gezielt eingesetzt wurden.

Ein Rewilding-Projekt dieser Größe war bisher nahezu einzigartig und so wurde der ehemalige Landwirtschaftsbetrieb schnell zum Forschungsprojekt für Wissenschaftler zahlreicher Richtungen. Biologen, Ornithologen, Botaniker u.a. fanden hier den Rahmen für ausgedehnte Studien. Für Isabella, Charlie und ihre Familie aber wurde Knepp zu einem ganz einzigartigen Heim inmitten neu entstandener Wildnis.

Bereits 2018 im Original erschienen

Dieses hochgelobte und viel beachtete Buch erschien bereits 2018 in der englischen Originalausgabe. Isabella Tree berichtet in oft humorvollem Ton von den Schwierigkeiten, aber auch von den vielen Freuden auf dem oft steinigen Weg hin zur Wildnis vor der Haustür.

Sie erzählt genauso vom Pfau, der sich unsterblich in ein blaues Auto verliebte oder dem Exmore Hengst, der regelmäßig Polospiele aufmischte, wie auch von wütenden Nachbarn, die das Projekt als Bedrohung ihrer eigenen Landwirtschaft ansahen. Für sie allerdings bedeutete die Rückgabe des Landes an die Wildnis nur Gutes, vom Artenreichtum bis zur Kohlenstoffspeicherung reichen ihre Argumente, die sie mit eindrücklichen Fotos auch noch einmal unterstreicht.

Ihr Enthusiasmus geht so weit, dass sie ein „Rewilding“ und eine Streichung aller Subventionen für alle Landwirtschaftsbetriebe empfiehlt und dabei die Korrelation von Konsumverhalten und industriell bewirtschafteten Betrieben völlig außer Acht lässt. Dass die Finanzierung ihres Projektes, die sie übrigens kaum darlegt, wohl hauptsächlich auch auf staatlichen Zuschüssen beruht, fällt ihr dabei scheinbar nicht auf. Wenn man diese persönlichen Äußerungen allerdings weniger gewichtet, hat man hier einen einzigartigen Bericht über ein fast schon wahnwitziges Projekt, das sich sowohl auf ein riesiges Areal als auch auf eine zeitlich lange Dauer bezieht. Schade ist, dass man nicht erfährt, wie es mit Knepp nach 2018 weiter ging. Eine kleine Ergänzung hierzu hätte der erst jetzt erschienenen deutschen Ausgabe durchaus gutgetan.

Fazit

Ein ebenso faszinierender, wie humorvoller Bericht über ein „Rewilding“-Projekt von gigantischem Ausmaß. Er ermahnt und macht Hoffnung zugleich. Danach sieht man die Natur mit anderen Augen und überdenkt sein eigenes Konsumverhalten zwangsläufig.

 

Wildes Land

Isabella Tree, Dumont

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