Sisis Weg

  • Piper
  • Erschienen: September 2021
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Sisis Weg
Sisis Weg
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      Carola Krauße-Reim
      9101

      Sachbuch-Couch Rezension vonNov 2021

      Wissen

      Ausstattung

      Hier wird mit dem Sisi-Mythos aufgeräumt

      Kaum eine andere historische Persönlichkeit wurde durch eine Film-Serie so mystifiziert, wie Sisi – Kaiserin Elisabeth von Österreich. Dr. phil. Martina Winkelhofer, ausgewiesene Expertin für die Geschichte des Adels und des Hauses Habsburg im Besonderen, hat sich nun mit der jungen Elisabeth befasst, deren Weg vom Kind hin zur durchsetzungsstarken Kaiserin. Dabei räumt die Autorin mit bisher angenommenen Halbwahrheiten auf, zeichnet ein genaues Bild von Sisis Alltag und schafft damit eine Coming-of-Age-Geschichte der besonderen Art über eine besondere Frau.

      Vom schüchternen Kind zur willensstarken Kaiserin

      Martina Winkelhofer stellt sich dem Mythos Sisi, wobei sie versucht unvoreingenommen an das Leben der Frau heranzugehen, die schon mit 16 Jahren Kaiserin wurde und damit an der Seite Kaiser Franz Joseph von Österreich an der Spitze des Habsburger Imperiums stand.

      Winkelhofer stützt sich auf eine umfassende Recherche in diversen Archiven, Sammlungen und Museen, die bis heute Tagebücher, Korrespondenzen, höfische Zeremonialprotokolle und diverse andere Quellen bereithalten. Dabei ist sie besonders an den frühen Jahren Elisabeths interessiert – ihrem Weg vom schüchternen Kind bis hin zur Frau, die sich erst schwer tat, mit ihrer Rolle als Ehefrau, Mutter und Kaiserin. Dabei stellt sie die individuelle Person Elisabeth in den Kontext der Rolle der (adeligen) Frau zur damaligen Zeit und hinterfragt diese. Winkelhofers Betrachtungen enden mit dem Tag, an dem Elisabeth ihrem Ehemann eine handschriftliche Mitteilung zukommen lässt, die keinen Zweifel mehr an ihrer Stärke und ihrer Position offen lässt – es ist der 24.8.1865.

      Die Sicht der Öffentlichkeit auf Elisabeth ist bis heute noch geprägt von den Filmen mit Romy Schneider, die aber nur wenig mit der Realität gemein hatten und ein Bild zeichneten, das es so nicht gab, das aber in nachfolgender Literatur, auch Sachliteratur, gerne aufgegriffen wurde. Dadurch entstand der Mythos des naturverbundenen fröhlichen Mädchens, das seiner Schwester den Kaiser wegschnappt und von der intakten und fröhlich-knödelessenden Familie an den an strenger Etikette orientierten Wiener Hof kam, an dem die bissige Schwiegermutter das Sagen hatte. Mit diesem Familienkitsch räumt Winkelhofer jetzt gründlich auf!

      Recherche bis ins kleinste Detail

      Das im Anhang aufgeführte Quellen- und Literaturverzeichnis zeigt, dass die Autorin sich in ihren Aussagen zu Sisis Leben auf eine gehende Recherche berufen kann. Ihr daraus resultierendes Wissen ist fundamentiert und zeigt eine flüssig zu lesende neue Blickweise auf Kindheit und Jugend in München und auf die ersten Jahre in Wien.

      Dabei geht Winkelhofer populärwissenschaftlich auf jedes noch so kleine Detail ein, was manchmal zu ausführlich und damit erschöpfend wirkt. So beschreibt sie z.B. die Aufstellung des Hochzeitszuges mit dem das Brautpaar in die Kirche einzog bis zum letzten Teilnehmer und minutiös genau, ebenso das Zeremonialprotokoll zur Taufe des ersten Kindes, inklusive der genauen Betrachtung des Taufkissens auf dem Sophie ruhte.

      Die Begeisterung der Autorin für das Thema geht dann sogar so weit, dass sie einschneidende Besonderheiten, und manchmal leider auch Alltägliches, gebetsmühlenartig wiederholt, damit den Informationsgehalt allerdings nicht erhöht, ihn im Gegenteil ins Banale abgleiten lässt. Das füllt zwar die Seiten des Buches, macht es umfangreicher, aber nicht unbedingt interessanter.

      Wenn man aber davon absieht, zeigt Winkelhofer ein in Nuancen anderes Bild von Elisabeth, gerade was ihr Elternhaus und ihre Familie angeht, das durchaus lesenswert ist. Ihre Schwierigkeiten am Wiener Hof allerdings werden doch sehr stilisiert aufgebaut, denn welche junge Frau hätte nicht Probleme sich alleine in einem fremden Umfeld zurecht zu finden, das durch strenge Etikette jede Situation regelt?

      Kleine Kritikpunkte sind anzumerken

      Die Konzentration auf die Familie in Bayern, das Rollenverständnis der Frau und auf die Jahre der Kindheit, Jugend und der jungen Frau Elisabeth ist neu, interessant und längst überfällig. Die schon erwähnte, manchmal ausufernde Detailliebe und die zu vielen Wiederholungen schmälern das Lesevergnügen zwar etwas, mindern aber den grundsätzlichen Informationsgehalt nicht.

      Die beigefügten Fotos ergänzen den Textteil dabei anschaulich, allerdings könnten es ruhig ein paar mehr sein. Gerade die oft erwähnten Personen im Umkreis Elisabeths wären durch Abbildungen fassbarer geworden. Vermisst habe ich allerdings einen Stammbaum des Hauses Habsburg, zumindest in den in Frage kommenden Abschnitten, und eine Genealogie der Herzöge in Bayern, bzw. des bayrischen Königshauses. Damit wäre es einfacher gewesen, die manchmal komplexen Familienverhältnisse nachzuvollziehen.

      Fazit

      Endlich wird mit dem Sisis-Mythos aufgeräumt! Martina Winkelhofer zeichnet bis ins, manchmal ermüdend, kleinste Detail Elisabeths Kindheit, Jugend und ihre frühen Jahre in Wien nach und lässt damit einen neuen Blick auf eine der wohl bekanntesten Frauen der Geschichte zu. Für Sisi-Fans genauso zu empfehlen, wie für Geschichts-Interessierte.

      Sisis Weg

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