Palace Papers

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Carola Krauße-Reim
5101

Sachbuch-Couch Rezension vonJun 2022

Wissen

Altes wird neu erzählt. Neue Informationen sucht man vergebens

Ausstattung

Zahlreiche Fotos ergänzen den Text, aber auch sie zeigen nur bekannte Aufnahmen

Hier werden keine Geheimnisse geleakt

Pünktlich zum 70-jährigen Thronjubiläum der Queen erscheint ein weiteres vermeintliches Enthüllungsbuch über die britische Royal Family, das schon im Titel Parallelen zu den brisanten Panama Papers zieht und im Untertitel sogar die Behauptung aufstellt, die Wahrheit zu verkünden. Autorin dieser „Palace Papers“ ist Tina Brown, eine Zeitschriftenherausgeberin und Journalistin, die u.a. für Vanity Fair, den Tatler und den New Yorker gearbeitet hat. 2007 wurde „Diana“, ihre viel beachtete Biografie der Prinzessin von Wales veröffentlicht. Jetzt widmet sie sich wieder dem englischen Königshaus, insbesondere den „zentralen Personen …, die die jüngere Geschichte der Monarchie gestaltet haben ...“.

Die prägenden Personen der letzten 25 Jahre

In der Einleitung gibt die Autorin an, zentral die 25 Jahre seit Prinzessin Dianas Tod und die maßgeblichen Akteure der britischen Royals zu betrachten. Zu diesen zählt sie neben der jüngeren Generation auch Charles, Camilla, Philip, Margaret, Andrew und Diana – von der wirklich wichtigsten Person, der Queen, sagt sie nichts. Sobald man in die Lektüre einsteigt, wird aber sehr schnell klar, dass Brown sich nicht an ihre eigenen Vorgaben gehalten hat. Einen großen Teil des Buches widmet sie den Jugendjahren von Queen Elizabeth II (einschließlich der ausschweifend erzählten Geschichte ihrer Eltern), von Prinz Charles und seinen Geschwistern und von Camilla – von einer Konzentration auf die Jahre nach Dianas Tod kann hier nicht die Rede sein.

Auch die familiären Hintergründe von Kate und Meghan werden erschöpfend dargelegt. Was wirklich in den letzten 25 Jahren geschah, nimmt daher nur einen marginalen Part im Buch ein. Sehr ausführlich dagegen zeigt sie das angespannte Verhältnis der Royals zu der Presse. Sie schildert die schon lange bekannten Probleme, prangert die Rolle der Paparazzi bei Dianas Tod an und übersieht dabei ganz, dass sie mit ihren Büchern über die Royal Family in das gleiche Horn stößt und die scheinbar unendliche Gier der Leser nach Sensationen bedient.

Wahrheit?

Brown lernte im Rahmen von Interviews einige der britischen Royals persönlich kennen; hat mit zahlreichen Involvierten, wie ehemaligen Bodygards, gesprochen und hat unzählige Publikationen gewälzt. Doch ihr Buch basiert hauptsächlich nicht auf Informationen aus 1. Hand, denn die Insider lassen sich nicht in die Karten blicken. Keine ihrer Aussagen ist durch zwei voneinander unabhängige Quellen verifiziert. Was die Autorin zusammengetragen hat, kennt man so auch schon aus zahlreichen Veröffentlichungen und Filmen. Einige als sensationelle Neuigkeiten getarnten Episoden, sind dazu nur Mutmaßungen, denn wer nun wen zum Weinen brachte und wie wer wirklich tickt, weiß auch die Autorin nicht. Leider schafft es Brown auch nicht, eine neutrale Sicht auf die Dinge werfen. Gerade in der Schilderung von Camilla verlässt sie eindeutig den Pfad der Objektivität und verstrickt sich in Behauptungen, die sie nicht belegen kann. Wenn sie sich dann auch noch dazu hinreißen lässt, Prinz Andrew als „unterbelichtet“ zu bezeichnen, ist die Grenze hin zur eigenen Meinung eindeutig überschritten.

Lieblos zusammengeschustert und mit Fehlern durchsetzt

Tina Brown wärmt hier fast ausnahmslos alte Kamellen wieder auf, was den Eindruck erweckt, dass sie das Jubiläum der Queen gerne für ihren eigenen Kontostand genutzt hat. Wie wenig die Autorin aber scheinbar wirklich am Thema interessiert war (immerhin verspricht sie die Wahrheit), sieht man an Fehlern, die ihr unterlaufen sind. So behauptet sie u.a., dass Diana zum Zeitpunkt ihrer Hochzeit 24 Jahre alt war – sie war gerade einmal 20 - oder, der Streit über den Familiennamen der Royal Family soll sich während der Schwangerschaft der Queen mit Prinz Andrew zugetragen haben – dieser ist 1962 geboren, der Streit wurde schon 1960 entschieden. Auch verstrickt sich Brown in Widersprüche, wenn sie z.B. einerseits behauptet, die Queen hätte 1973 Camilla von allen Gästelisten verbannt und dann ein paar Seiten weiter schreibt, Camilla tanzte während eines Balles 1980 auf Windsor Castle. Was neben diesen Fehlern und Ungereimtheiten auch ins Auge fällt, ist der wenig professionelle Schreibstil. Bemerkungen, wie „tattriger alter Knacker“ oder „Camilla war schon immer sexuelle und emotionale Hausmannskost ...“ und Floskeln, wie „Äh, ja...“ sind meiner Meinung nach alles andere als neutral und einfach unangemessen.

Bekannte Fotos ergänzen den Text

Schon die Innenseiten der Buchdeckel zeigen eine Collage aus Fotos der königlichen Familienmitglieder. Dazu kommen zwei, in den Text eingeschobene, Fotoserien, die sie alle noch einmal zeigen - von der Queen bis Meghan. Doch wer auf unbekannte Aufnahmen hofft, dürfte enttäuscht werden, denn alle Fotos hat man schon einmal gesehen – von der Fallschirm-springenden Queen über ein Hochzeitsfoto von Harry und Meghan oder Charles und Camilla, bis hin zur einsam sitzenden Queen während des Trauergottesdienstes für ihren Mann oder die goldglitzernde Kate bei einer Filmpremiere. Dieses Konglomerat an geläufigen Informationen und bekannten Aufnahmen zeigt, dass selbst einer gut vernetzten Journalistin, wie Tina Brown, nur ein Blick von außen auf „die Firma“ erlaubt wird. Was wirklich hinter den dicken Palastmauern abläuft, ist eine reine Familienangelegenheit und wird der Öffentlichkeit wahrscheinlich nie offenbart werden, wenn nicht ein Mitglied der Royal Family persönlich „auspackt“.

Fazit

Wer ein Sensationsbuch à la Andrew Morton erwartet, dürfte enttäuscht werden. Tina Brown lässt hier keine Bombe platzen, sondern verpackt alte Informationen neu und das in fragwürdigem Stil, ergänzt sie mit bekannten Fotos und schafft es so pünktlich zum Thronjubiläum der Queen ein weiteres Buch über die Royal Family zu veröffentlichen.

Palace Papers

Tina Brown, Droemer

Palace Papers

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