Mission Erde

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Julian Hübecker
6101

Sachbuch-Couch Rezension vonJun 2021

Wissen

Holpriger Abenteuerroman mit überspitzten Aussagen. Dass ihm aber doch erstaunliche Expeditionen und erschreckende Erlebnisse entnommen werden können, darf dem Buch nicht abgesprochen werden.

Ausstattung

Die Bilder sind das Herzstück. Passende Unterschriften hätten es hier zumindest komplett gemacht.

Faszinierendes Leben eines Kämpfers für die Tierwelt

Robert Marc Lehmann gehört wohl mit zu den bekanntesten Naturfotografen, Filmemachern und Umweltaktivisten, die wir in Deutschland haben. Seine Expeditionen haben ihn mittlerweile auf jeden Kontinent geführt. Dabei scheut er selbst gefährliche Situationen nicht. Dank seiner Einsätze, die oftmals Militäroperationen gleichen, werden Missstände und Verbrechen an Natur und Tier aufgedeckt – wenngleich er immer wieder Rückschläge hinnehmen muss.

„Erkenntnis des Tages: Es ist ein Privileg, am Leben zu sein, hier auf dieser Erde zu sein.“

Gleich zu Anfang geht es sehr abenteuerlich zu: Lehmann schließt sich einer Gruppe von „Öko-Kriegern“, genannt „The Operatives“, an, einer Eliteeinheit aus knallharten Ex-Soldaten, die es sich zur Aufgabe machen, illegalen Wildtierhandel und andere Ausbeutungen an der Natur aufzudecken und zu dokumentieren. Er selbst, der sich augenzwinkernd als Ex-Zivi wunderbar einfügt, muss sich härtesten Strapazen stellen, immer mit dem Wissen im Hinterkopf, dass Wilderer und andere Umwelt-Terroristen auch vor Waffengewalt nicht zurückschrecken. Doch der Autor hat einiges auf dem Kasten, wie man im Buch immer wieder erleben darf.

Aber das war nicht immer so: Angefangen hat alles ganz harmlos in seinem Kinderzimmer mit dem ersten Aquarium. Das spätere Studium der Meeresbiologie und seine Arbeit im Kieler Aquarium haben ihn jedoch immer mehr zur Überzeugung kommen lassen, dass etwas gewaltig schief läuft auf der Welt. Seine eigenen Beobachtungen stimmen mit der allgemeinen Meinung nicht überein, dass Fische dumpfe, schmerzunempfindliche Wesen sind. Auch das Geschäft mit Wasserlebewesen für die heimischen, aber auch die großen zoologischen Aquarien steht für ihn im krassen Widerspruch zu Tierliebe und Bildungsauftrag, den vor allem Zoos vermitteln sollen. Damit war der Weg nicht mehr weit, dass Lehmann vom Tierfänger zum Tierrechtler avancierte.

„Jeder Einkaufszettel ist ein Stimmzettel. Für oder gegen den Planeten.“

Seitdem hat der Abenteurer über 2600 Tauchgänge und 127 Expeditionen absolviert (laut seiner eigenen Homepage, die sich sehr beeindruckend liest – unbedingt mal reinschauen!). Über und unter Wasser hat er nicht nur spannende, wunderschöne und interessante Tiere beobachten und aufnehmen dürfen, sondern musste grausame Verbrechen dokumentieren, die an die Öffentlichkeit gehören. Man kann daher nicht oft genug betonen, wie beeindruckend sein Wirken ist und wie wichtig das, was er zu sagen hat. Doch dann wäre da noch dieses Buch …

Das Buch ist ein zweischneidiges Schwert aus spannenden Abenteuern, Wissensvermittlung und Naturaufnahmen. Womit ich mich sehr schwer getan habe, ist, Lehmanns Ausführungen zu folgen. Dafür, dass seine Erlebnisse wirklich überwältigend sind, kommen sie so gar nicht an, sondern sind ein Durcheinander aus Hashtags (die wirklich, wirklich unnötig waren), Überbeanspruchung von Genderbezeichnungen („Gäst:innen“ tut schon weh, auch wenn per se nicht falsch) und einem anstrengenden, sprunghaften Schreibstil. Merkwürdigerweise liest sich das Kapitel um seinen Werdegang wieder sehr spannend und bietet ein persönliches Bild, das eher an den Anfang des Buches gehört hätte.

Auch die Wissensvermittlung gelingt nicht wirklich. Ja, man versteht sein Anliegen, aber irgendwie wird man das Gefühl nicht los, als wäre der Mensch das alleinige Übel. Diese Haltung stellt sich vielleicht mit den Jahren des Kampfes ganz von alleine ein, gibt aber kein realistisches Bild über Ursache und Wirkung, sondern vielmehr von einer korrupten und dummen (das Adjektiv fällt sehr oft) Gesellschaft. Dazu kommen unwissenschaftliche Aussagen, wie das Nennen von 6 Nashornarten (es sind 5), oder dass alle Schildkrötenarten vom Aussterben bedroht sind (was tatsächlich falsch ist), was eine Überdramatisierung erkennen lässt, die gar nicht nötig ist – wie Lehmanns zahlreichen Erlebnisse zeigen.

Demgegenüber stehen aber die fantastischen Aufnahmen, für die er bekannt ist und weltweit gebucht wird. Am Ende jedes Kapitels ist eine Auswahl zu sehen, die mit dem vorherigen Inhalt zu tun hat. Hier hätte ich mir nur noch 1-2 Sätze gewünscht, die die Abbildungen kurz erläutern.

Fazit

Rundum ist Mission Erde ein Buch, das im Grunde vollständig ist und viel Input liefert. Der Aufbau des Buches und wie es geschrieben ist, überzeugen leider nicht ganz – umso mehr aber die Bilder, die sowohl die Schönheit der Natur als auch das grausame Handeln der Menschen wiedergeben.

Mission Erde

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