Marie Curie und ihre Töchter

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Carola Krauße-Reim
8101

Sachbuch-Couch Rezension vonAug 2023

Wissen

Nur in Bezug auf die Töchter eventuell neues Wissen

Ausstattung

Keine Fotos, aber Literaturangaben für intensiveres Nachlesen

Romanbiografie über drei starke Frauen

Wenn man den Namen Marie Curie hört, denkt man sofort an Physik, Chemie und den Nobelpreis. Die zweifache Preisträgerin war aber nicht nur Wissenschaftlerin, sondern auch Ehefrau und Mutter. Nach dem tragischen Unfalltod des lediglich 46-jährigen Pierre Curie, musste Marie die beiden kleinen Töchter fast ohne Hilfe erziehen. Während sich bisherige Biografien und Artikel hauptsächlich mit Marie Curie als Wissenschaftlerin beschäftigten, konzentriert sich Claudine Monteil auf ihre Rolle als Mutter und Maries Beziehung zu ihren Töchtern. Gleichzeitig zeigt sie den Lebensweg von Irène und Ève, der zwangsläufig von der Erziehung ihrer Mutter geprägt war.

Eine Romanbiografie

Claudine Monteil ist eine französische Frauenrechtlerin, Historikerin und ehemalige Diplomatin. Bereits 2016 verfasste sie eine Biografie über Ève Curie. Jetzt bindet sie das vielleicht am wenigsten bekannte Mitglied der Curies in eine Romanbiografie über die weltweit bekannte Familie ein. Allerdings liest sich ihr Buch bis zum Tod Pierre Curies eher wie ein erweiterter Lexikoneintrag. Erst nach dessen tragischem Unfalltod konzentriert sich die Autorin auf die familiäre Seite der Geschichte und zeigt die Probleme Marie Curies, die, wie wahrscheinlich viele alleinerziehende Mütter, zwischen Arbeit und Kinder pendeln muss. Zum Glück gibt es den Schwiegervater, der sich intensiv um die zwei kleinen Mädchen kümmert und Marie so den Rücken frei hält. Monteil erzählt über das Familienleben interessant, wobei manchmal Passagen etwas lange bei einem Detail verharren, anderes dafür aber relativ schnell abgehandelt wird. Doch wird die Verbundenheit der Familienmitglieder deutlich, genauso, wie die Probleme, die sich aus der Erziehung durch Marie Curie ergeben. Richtig spannend wird es, wenn Monteil die Lebenswege der beiden Frauen nach dem Tod der Mutter betrachtet. Während Irène, als Wissenschaftlerin und ebenfalls Nobelpreisträgerin, die bekanntere Person sein dürfte, ist das Leben von Ève Curie leider weitgehend unbekannt. Doch es war nicht weniger spannend und vor allem nicht weniger gefährlich. Die weitestgehende Konzentration der Autorin darauf, ist daher nachvollziehbar und sehr spannend gelungen.

Marie, Irène und Ève

Marie ist geprägt durch ihre eigene Kindheit in Polen, die ärmlichen Umstände während des Studiums und vor allem durch den meist arroganten Umgang männlicher Kollegen mit ihr. Das und der frühe Tod ihres Mannes spielen in die Erziehung ihrer Töchter hinein, die sie zu angstfreien, sowie körperlich und geistig starken Frauen machen will. Monteil zeigt aber auch eine Frau, für die Perfektionismus wichtig ist und auch bei ihren Töchtern nur Höchstleistungen akzeptiert. Während Irène schon sehr früh Interesse an Naturwissenschaften zeigt und damit Marie begeistert, hat es die künstlerisch orientierte Ève schwerer mit der Mutter. Dennoch halten die drei Frauen zusammen. Erst nach dem Tod Marie Curies entfremden sich die Schwestern. Ihre politischen Auffassungen und ihre sehr unterschiedlichen Leben bringen sie immer mehr auseinander. Irène stirbt schon mit 58 Jahren an einer Leukämie, die wahrscheinlich durch ihre Arbeit bedingt wurde. Ève aber wird 103 Jahre alt und wird als einziges Familienmitglied nicht in Frankreich, sondern in den USA bestattet.

Kleine Mängel

Warum das Buch, anders als im französischen Original in der deutschen Übersetzung als Romanbiografie bezeichnet wird, also eine Mischung aus Fiktion und Fakten, ist nicht ganz einleuchtend. Fußnoten mit dazugehörigen „Endnoten“ im Anhang lassen darauf schließen, dass die Aussagen Fakten abbilden. Auch ein „nicht erschöpfendes Verzeichnis der Referenzliteratur zu Marie, Irène und Ève Curie“ ebenfalls im Anhang zeigt, dass die Autorin sich intensiv mit dem Thema beschäftigt hat. Passagen, die lediglich narrativen Wert hätten, sind mir nicht aufgefallen. Sehr schade ist allerdings, dass kein einziges Foto geliefert wird. Zu einer rundum gelungenen Biografie gehören einfach auch Abbildungen, die sowohl die Personen als auch verschiedene wichtige Stationen in ihrem Leben zeigen. Wieso also verzichtet man auf Bilder von Marie, Ève und Irène in unterschiedlichen Phasen ihres Lebens, die sie für die Leserschaft wesentlich greifbarer gemacht hätten? Bedauerlich sind auch manche Fehler, die im Text zu finden sind. So wird z.B. Irène auf Seite 68 als „Imatrène“ bezeichnet und auf Seite 118 muss man lesen: „1924 muss sich die durch Strahlenbelastung immer mehr geschwächte Wissenschaftlerin 1924 zwei weiteren Augenoperationen unterziehen“. Was mich allerdings am meisten gestört hat, ist der teilweise sehr unkritische Umgang der Autorin mit dem Thema. Natürlich sollte die eigene Meinung in einer Biografie, wenn überhaupt, nur wenig Platz finden, doch sollten alle neutralen Blickwinkel betrachtet werden. Monteil geht immer wieder auf den diskriminierenden Umgang der Männer gegenüber beiden wissenschaftlich tätigen Frauen ein, was sie, und auch Ève, zu Verfechterinnen der Gleichberechtigung machte, aber sie erwähnt die Kontroversen, die Èves Biografie über ihre Mutter ausgelöst haben mit keinem Wort. Zwar wurde das Buch bei seinem Erscheinen auf der ganzen Welt gefeiert, doch im Nachhinein auch sehr kritisch betrachtet. Ich hätte mir gewünscht, dass dieser Blickwinkel auch Erwähnung gefunden hätte.

Fazit

Eine Biografie, die einmal nicht nur die Wissenschaftlerin Marie Curie betrachtet, sondern auch die Ehefrau und Mutter. Gleichzeitig zeigt Claudine Monteil die Lebensgeschichten der Töchter Irène und Ève, die natürlich geprägt waren durch Maries Erziehung. Eine sehr lohnende Lektüre für alle, die eine der berühmtesten Familien Frankreichs näher kennenlernen möchten.

Marie Curie und ihre Töchter

Claudia Monteil, Insel Verlag

Marie Curie und ihre Töchter

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