Howard Carter und das Grab des Tutanchamun

Howard Carter und das Grab des Tutanchamun
Howard Carter und das Grab des Tutanchamun
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Carola Krauße-Reim
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Sachbuch-Couch Rezension vonJun 2022

Wissen

Fachspezifische Kompetenz in den dennoch auch für Laien verständlichen Texten, die Abbildungen und Fotos begleiten die sehr anschaulich die Arbeit im Grab und die Umstände der Bergung.

Ausstattung

Erstklassige Fotos und weiterführende Informationen im Anhang in einem großformatigen Bildband.

Die archäologische Sensation in 50 Bildern

Als Howard Carter am 1. November 1922 eine weitere Grabungssaison im Tal der Könige beginnt, weiß er nicht, dass er vor einem archäologischen Sensationsfund steht. Bereits am 5. November finden er und sein Team eine versiegelte Tür am Fuß einer Treppe. Bei der offiziellen Öffnung des Grabes am 29. November wird klar, dass sie das kaum geplünderte Grab des Pharao Tutanchamun gefunden haben. Anlässlich des 100. Jahrestages dieses außerordentlichen Fundes hat das Griffith Institute Oxford, einen Bildband herausgegeben, der „ein neues Licht auf die Geschichte dieser Grabung und das Pharaonengrab selbst zum Zeitpunkt seiner Entdeckung wirft“.

Das Griffith Institute Oxford hütet einen Schatz

Nach der Entdeckung des Grabes war schnell klar, dass es exzellenter Fachkräfte bedurfte, um den Fund wissenschaftlich zu bearbeiten, die Artefakte zu bergen und zu konservieren. Als Fotograf kam Harry Burton vom Metropolitan Museum of Art, New York, zum Team. Seine Glasplattennegative befinden sich heute, wie auch der Nachlass von Howard Carter, im Griffith Institute Oxford. Der Bildband zeigt 50 Aufnahmen aus diesem Fundus, die den chronologischen Ablauf der Grabung und die Bergung zeigen, wobei nicht nur wissenschaftlich bedingte Aufnahmen zu sehen sind, sondern auch Tagebuchauszüge diverser Personen, Briefe, Merchandise Artikel und Zeichnungen.

Ein Buch für Laien und Fachleute gleichermaßen

Das Griffith Institute Oxford, und der Philipp von Zabern Verlag sind bekannt für erstklassige Veröffentlichungen und auch dieses Mal haben sie mit dem vorliegenden Buch nicht enttäuscht. Richard P. Parkinson, Professor für Ägyptologie in Oxford, zeigt in Vorwort und Einleitung, dass er es versteht Laien in das Thema einzuführen und gleichzeitig Fachleuten Appetit auf das Kommende zu machen, denn auch Ägyptologen dürften eventuell so manche der folgenden Aufnahmen noch nicht gesehen haben. Die Abbildungen sind dann so gewählt, dass sie eine Art Bild-Anthologie von der Entdeckung bis zum letzten Foto mit dem Sarkophag zeigen. Dabei wird die Vorgehensweise bei Bergung und Dokumentation eines Fundes in kurzen Texten sehr anschaulich erklärt und gezeigt. Bei den Fotos sind Größe und archivarische Details genannt und bei manchen auch der Hinweis auf eine gestellte Aufnahme, wie z.B. bei dem berühmten Foto, das Carter, Callender und einen ägyptischen Arbeiter beim Öffnen des vierten Schreins zeigt.

Postkoloniale Diskussion inklusive

Die Aufarbeitung der Archäologie während der Kolonialzeit ist völlig zu Recht in vollem Gange. In Großbritannien, als Überbleibsel des ehemaligen Empire, wird die Debatte besonders intensiv vorangetrieben. Doch manchmal erscheinen die Bemühungen etwas überambitioniert zu sein. So wird auch im vorliegenden Buch mehrfach bedauert, dass die Grabung, der Fund und die Bergung als Werk eines rein amerikanisch-europäischen Teams gelten und dass die Namen der ägyptischen Arbeiter nicht bekannt sind. Was dabei allerdings völlig außer Acht gelassen wird, ist die Tatsache, dass fachliche Kompetenz zur damaligen Zeit nur bei ausländischen Wissenschaftlern zu finden war und dass Hilfskräfte - und zwar egal welcher Nationalität - auch heute noch nicht in wissenschaftlichen Veröffentlichungen genannt werden. Die Problematik der Fundaufteilung zur damaligen Zeit wird dagegen sehr deutlich beschrieben, wobei hier vielleicht die richtige Stelle gewesen wäre, auf Korruption und langjährige Inkompetenz bei der Konservierung in Kairo hinzuweisen, denn noch während der Unruhen 2011 verschwanden bis heute nicht auffindbare Objekte der Tutanchamun-Sammlung aus dem Museum am Tahrir Platz. 

Ein Genuss-Buch durch und durch

Wenn man von diesem Kritikpunkt einmal absieht, ist der Bildband ein Genuss vom ersten Durchblättern an. Die Fotos zeigen die Umstände und Enge im Grab mit dessen ganz eigener Atmosphäre. In diesem Zusammenhang fällt die Behauptung auf, dass die Dekoration der Grabkammer erst nach Einbringung der raumfüllenden Schreine dekoriert wurde und bei Versiegelung des Grabes noch frisch war. Wie die Autoren zu dieser Annahme gelangen, wird aber leider nicht erklärt. Dagegen berühren die Bilder der mitgegebenen Blumen und Blütengirlanden sehr und die Masse an teilweise eher lieblos aufgeschichteten Grabbeigaben erstaunt.

Die Vorgehensweise bei Dokumentation und Bergung eines Fundes werden in den Texten gut erklärt und die ganz besonderen Bedingungen für die Ausgräber anschaulich gezeigt. Die waren teilweise mit ihren Ehefrauen vor Ort, nutzten angrenzende Gräber als Labor oder Fotowerkstatt oder auch als Ort sehr stilvoller Mahlzeiten. Wer sich noch weiter mit dem Grab des Tutanchamun befassen will, erhält im Anhang weiterführende Hinweise, eine Zeitleiste und eine Zusammenfassung der einzelnen Grabungskampagnen.

Fazit

Ein wunderbarer Bildband zum 100. Jahrestag der Entdeckung des Grabes. 50 Fotos mit kurzen Texten zeigen anschaulich die Arbeit der Ägyptologen, die vor der Aufgabe der wissenschaftlichen Dokumentation und sicheren Bergung der sehr diffizilen Artefakte standen und zeigen gleichzeitig, dass es sich nicht nur um ein Objekt, sondern um das Grab eines geliebten Menschen handelt.

Howard Carter und das Grab des Tutanchamun

Richard Parkinson, wbg Philipp

Howard Carter und das Grab des Tutanchamun

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