Handbuch Filmgeschichte

  • utb
  • Erschienen: November 2021
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Handbuch Filmgeschichte
Handbuch Filmgeschichte
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Yannic Niehr
6101

Sachbuch-Couch Rezension vonJan 2022

Wissen

Willem Strank hat ganz klar Ahnung von seinem Fach, die Aufbereitung könnte punktuell aber noch ein bisschen mehr in die Tiefe gehen.

Ausstattung

Ein Literaturverzeichnis sowie ein ausführliches Register runden den Titel ab, sind als Ausstattung für ein Buch über ein visuelles Medium jedoch etwas mager.

… und: Action!

Kaum ein anderes Massenmedium hat das 20. Jahrhundert so sehr geprägt wie der Film. Und trotz des ständigen Wandels unserer Lebensumstände sowie Sehgewohnheiten haben die bewegten Bilder an sich nur wenig von ihrer grundlegenden Faszination und Macht eingebüßt. Dieses Buch macht es sich zum Anliegen, eine Chronik des Films von seinen frühen Anfängen bis in die Gegenwart hinein zu erarbeiten, technische Fortschritte sowie deren Auswirkungen auf Produktionsbedingen zu erläutern und formale und inhaltliche Strömungen sowie stilbildende Kontexte zu durchleuchten. Also her mit dem Popcorn und Film ab!

„Das Dorf Hollywood ist entworfen nach den Vorstellungen, die man hierorts vom Himmel gemacht hat …“

Autor Dr. Willem Strank arbeitet am Institut für Neue Deutsche Literatur und Medien der Christian-Albrechts-Universität zu Kiel. Mit diesem Handbuch hat er sich vorgenommen, eine umfassende Übersicht über die gesamte bisherige Filmgeschichte vorzulegen – ein hehres Ziel, das er grundsätzlich erfüllt. Die Umsetzung allerdings hätte ansprechender sein können.

Der Aufbau des Handbuchs gestaltet sich zunächst einmal klar und strukturiert: Jedes Kapitel behandelt eine Dekade (abgesehen von der Einleitung, welche die frühen Errungenschaften und Entwicklungen, die zur Entstehung des Mediums Film wie wir es kennen geführt haben, in der Zeit von 1826 bis 1900 nachverfolgt). Die Kapitel wiederum gliedern sich in Unterabschnitte, welche die Filmhistorie für Europa, Deutschland, die USA sowie global je anhand zusammengetragener, aussagekräftiger Beispiele darlegen. Den Abschluss eines Kapitels bilden Erklärungen jeweils für das Jahrzehnt einschlägiger Stichworte. Zu guter Letzt gibt es pro Dekade noch eine Liste mit 3 persönlichen Filmtipps des Autors.

„… Hierorts hat man ausgerechnet, dass Gott, Himmel und Hölle benötigend, nicht zwei Etablissements zu entwerfen brauchte, sondern nur ein einziges, nämlich den Himmel …“

Strank weiß sich sehr gut auszudrücken und Wissenswertes in einem präzisen und dennoch flüssig lesbaren akademischen Stil prägnant auf den Punkt zu bringen, wobei er auch die zahlreichen filmwissenschaftlichen Fachbegriffe gekonnt erhellt. Er erzählt von Menschen vor und hinter der Kamera, deren Einfluss prägend war, geht darauf ein, warum manche Filme und deren Inhalt von Bedeutung für die jeweilige Zeit oder Region gewesen sind, erklärt die Ursprünge und zahlreichen Transformationen des Hollywood-Studiosystems im Laufe der Zeit, zeigt unterschiedliche aufeinanderfolgende Schulen und Bewegungen auf, erwähnt die sukzessiven Veränderungen in punkto Filmtheorie, Filmkritik und Rezeption, macht vor allem auch die lebendige Historie des Deutschen Films verständlich und analysiert auf der Metaebene noch politische und gesellschaftliche Momente auf Mikro- und Makroebene sowie ihre Auswirkungen auf das Medium Film (und umgekehrt); diese Wechselwirkungen gewinnen gerade in der zeitgenössischen Filmkritik zunehmend an Gewicht. Seinem Anspruch eines verkürzten, aber dezidierten Handbuchs zum Thema Filmgeschichte wird der Autor damit durchaus gerecht. Positiv hervorzuheben ist außerdem, dass Strank auch auf viele Details eingeht, die selbst Filminteressierten noch unbekannt sein dürften. So bestehen gerade seine Filmtipps größtenteils aus Titeln, die vielleicht höchstens eingefleischten Cineasten ein Begriff sind – Anregungen zur Erweiterung des eigenen Kinohorizonts sind somit gegeben.

„ … Dieser dient für die Unbemittelten, Erfolglosen als Hölle.“ - Bertolt Brecht [Hollywood Elegien]

Weiß das Handbuch inhaltlich zu überzeugen, so lässt leider die lieblose Aufmachung etwas zu wünschen übrig. Man wird von den rein im Fließtext präsentierten Informationen regelrecht erschlagen, und die (nicht chronologische) Anordnung der Unterabschnitte mit ihren regionalen Schwerpunkten (gem. Vorwort „dem Erzählfluss geschuldet“) wirkt häufig willkürlich und kann einen beim Lesen leicht verwirren. Ein Handbuch zur Filmgeschichte muss selbstverständlich immer auf Auslassung und Reduktion zurückgreifen und ist damit stets auch ein Stück weit Interpretation des individuellen Chronisten, jedoch entsteht hier der Eindruck, dass leider manche Genres (z.B. Horror) unterrepräsentiert sind. Zudem ist das völlige Fehlen von Bildmaterial bedauerlich, welches die Fülle an puren Infos aufbereiten und die ein oder andere Entwicklung auf den Punkt gebracht hätte veranschaulichen können. Zwar soll natürlich die Filmgeschichte im Mittelpunkt stehen, dennoch ist es bei einem Buch über ein vorrangig visuelles Medium eine fragwürdige Entscheidung, auf Bilder komplett zu verzichten. Insgesamt gibt es also eindeutige Abzüge in der B-Note zu verzeichnen.

Fazit

Dr. Wilhelm Stranks Handbuch Filmgeschichte aus dem Verlag utb für universitäre Lehrmaterialien bietet einen fundierten und solide formulierten Überblick, der nicht zuletzt aufgrund seiner etwas dürftigen Präsentation jedoch nur als Einstieg in die Materie und Ausgangspunkt für tiefergehende Recherche dienen kann.

Handbuch Filmgeschichte

Willem Strank, utb

Handbuch Filmgeschichte

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