Gefallene Ritter
- HarperCollins
- Erschienen: Oktober 2020
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Machtgerangel und Vetternwirtschaft im Malteserorden
Constantin Magnis hat Politik und Philosophie studiert, war Chefreporter des Politmagazins Cicero und ist vor allem ein Spross der Adelsfamilie Magnis, deren Mitglieder seit Generationen im Malteserorden vertreten sind. Dieser Umstand hat ihn für diesen „rätselhaften Kirchenkrimi“ sensibilisiert und ihm mit Sicherheit auch ausreichend viele Türen für seine Recherchen geöffnet.
Von Jerusalem in die Via Condotti
Die Ursprünge des heutigen Malteserordens liegen bei den Johannitern in Jerusalem. Sie verschrieben sich der selbstlosen Pflege der „Herren Kranken“ und halfen egal welcher Nationalität oder Religion der Hilfebedürftige angehörte. Nach der Vertreibung aus dem Heiligen Land und nach einem langen Zwischenaufenthalt auf der namensgebenden Insel Malta, landeten die Malteser in Rom. Heute ist der Malteserorden ein internationales Völkerrechtssubjekt, also ein souveräner Staat, mit eigener Währung, eigenem KFZ-Kennzeichen, einer eigenen Regierung und natürlich einem eigenen Staatsgebiet, wenn dieses auch nur 6000m² umfasst. Alle 5 Jahre wird ein neuer souveräner Rat gewählt dessen Sitz der Palazzo Malta in der Via Condotti in Rom ist. Oberhaupt der Malteser ist der Großmeister, der (normalerweise) auf Lebenszeit gewählt ist und immer dem 1.Stand der Ritter angehört. Dieser 1.Stand sind die s.g. Professritter, also Männer, die das ewige Gelübde (Armut, Keuschheit und Gehorsam) abgelegt haben, aber ihr ansonsten unbeeinflusstes Leben weiterführen, denn die Malteser sind nicht zu einer klösterlichen Gemeinschaft verpflichtet. Diese Professritter garantieren den Maltesern den Status eines kirchlich religiösen Ordens. Der 2. und 3. Stand des Ordens sind Mitglieder ohne ewiges Gelübde, dafür aber der Verpflichtung eines rigorosen Adelsnachweises. Sie sind mit ca. 13.000 Mitgliedern gegenüber den ca. 60 Professrittern in der überwältigenden Mehrheit. In den nationalen Assoziationen der Malteser gibt außerdem zahllose weltliche Mitarbeiter, die in Deutschland vor allem im Malteser Hilfsdienst, in der Altenpflege und in Seniorenheimen arbeiten. International ist der Malteserorden an Hilfsprojekten in der ganzen Welt beteiligt. Dabei hilft die Arbeit auf Staatsebene enorm, können doch Großmeister und Großkanzler in ihren Funktionen als Oberhaupt und Außenminister in Kontakt mit den jeweiligen Amtsinhabern fremder Staaten treten und direkt mit ihnen verhandeln, was NGOs durch ihren Status verwehrt bleibt.
Eine ausgewachsene Krise zieht herauf
2008 wird der Brite Matthew Festing zum neuen Großmeister gewählt. Als Staatsmann oder jetzt sogar Staatsoberhaupt ist er völlig ungeeignet. Er entstammt dem englischen Adel und ist mehr an Jagden, ausgezeichnetem Essen und einem guten Gespräch interessiert, als an Sitzungen, Protokoll und Repräsentation. Er befindet sich oft mehr im exklusiven römischen Jagdclub, jettet zu Jagden rund um den Globus und gibt viel mehr Geld aus als dem Großmeister und seiner Regierung zusteht. Das Gelübde der Armut scheint bei den Maltesern im Magistralpalast in Vergessenheit geraten zu sein. Festing begünstigt blauäugig nahestehende Personen, lässt sich unreflektiert Gerüchte einflüstern, schafft sich damit Widersacher und wird unbemerkt zum Spielball der unterschiedlichen Interessen im Magistralpalast und in Rom. Als dann der Amerikaner Kardinal Raymond Burke Päpstlicher Legat, also Abgesandter des Papstes, im Orden wird, beginnen Intrigen, die bald auch den Papst selbst zum Handeln zwingen. Burke befürchtet eine Dominanz der deutschen Assoziation, wirft ihr sogar die Absicht der Säkularisierung des Ordens vor. Besonderer Dorn im Auge ist ihm dabei der Deutsche Albrecht von Boeselager, der als Großkanzler im Rat sitzt. Burke schafft es mit seinen Gleichgesinnten viel böses Blut unter den Mitgliedern des Ordens zu säen - „Die Krise des Ordens wächst sich zu einem wechselseitigen Verfolgungswahn aus“. Eines kommt zum anderen und als es dann auch noch Ärger um eine Millionenspende aus einer Erbschaft kommt, der auf sehr dubiose Weise beigelegt werden soll, schaltet sich der Papst mit einer päpstlichen Untersuchungskommission ein. Das Ergebnis führt zum Rücktritt des Großmeisters Festing, zur Entmachtung von Burke und dem Verbot Professritter zu rekrutieren, so lange der Orden nicht reformiert ist, vor allem das Gebot der Armut nicht eingehalten wird - „der Papst hat den Stecker gezogen“, denn ohne geweihte Professritter verlieren die Malteser den Status eines kirchlichen Ordens.
Der Malteser – ein merkwürdiges Wesen
Die Mitglieder des Ordens sind nicht leicht zu begreifende Menschen, vor allem die aus altem Adel stammenden Personen geben dem Außenstehenden oft Rätsel auf. Während viele ihr Leben ihrem Stand gemäß verbringen, wie z.B. Gloria von Thurn und Taxis, mutieren sie zu selbstlosen Helfern, sobald sie im Dienst des Ordens unterwegs sind. So werden auf der jährlichen Wallfahrt nach Lourdes übervolle XXL-Windeln genauso gewechselt, wie eitrige Verbände – keine Handlangung ist zu eklig, zu kraftraubend oder minderwertig. Wer vorher vielleicht nicht einmal mit der adligen Kehrseite angesehen wurde, wird plötzlich wieder zum „Herr Kranker“ und das nicht aus Eigennutz, sondern aus tief empfundener Nächstenliebe und Gläubigkeit. Nur schade, dass diese Einstellung anscheinend nicht alltagstauglich zu sein scheint, vielleicht kann man als Außenstehender diese Wandlung aber auch einfach nicht begreifen.
Magnis hat einen wahren Krimi geschaffen
Diese ganze Problematik hat Magnis eindringlich und anschaulich geschildert. Es ist mehr als spannend in die Abgründe des Malteserordens abzutauchen und wieder einmal der Frage nachzuhängen, warum gläubige Menschen so zweischneidig handeln können. Leider gibt es in dem sehr ins Detail gehende Buch kein einziges Foto. Abbildungen hätten aus den Namen Gesichter und Örtlichkeiten gemacht und so die manchmal minutiös geschilderten Vorgänge etwas anschaulicher verpackt. Leider ist es für den Leser auch schwer nachvollziehbar, was der Autor durch Interviews oder eigenes Erleben erfahren hat und, was aus 2.Hand oder Hörensagen stammt. Eine wirklich neutrale Betrachtung ist unter diesen Umständen kaum möglich.
Fazit
„Gefallene Ritter“ ist ein Kirchenkrimi! Wer Interesse an Intrigen rund um die katholische Kirche und den Vatikan hat, ist hier genau richtig. Magnis zeigt einen maroden Orden, dessen Führung vom rechten Weg abgekommen zu sein scheint und damit das gute und lebensrettende Werk von vielen Mitgliedern in der ganzen Welt gefährdet.
Constantin Magnis, HarperCollins
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