Säugetiere müssen sich definitiv nicht hinter den Dinosauriern verstecken.
Über viele Millionen Jahre haben sich die Säugetiere entwickelt, bis sie die heutigen Formen hervorbrachten, die selbst noch evolutionären Prozessen unterworfen sind. Aber wie hat alles angefangen? Wann und warum wurden die frühen Säuger so erfolgreich? Der erfolgreiche Paläontologe und Autor Steve Brusatte gibt darauf – und auf viele weitere Fragen – Antworten und Einblicke in die Welt der Säugetiere ...
„Säugetiere sind – bei allem Respekt für Reptilien, Vögel und die anderen über acht Millionen Tierarten, die nicht zu den Säugern zählen – die charismatischsten und meistgeliebten Lebewesen auf unserem Planeten.“
Man könnte sich schon wundern, warum ein Paläontologe, der seine Wissenschaftlerkarriere mit der Erforschung der Dinosaurier begonnen hat, sich irgendwann von diesem abwandte, um sich einer völlig anderen Tiergruppe zu widmen. So geschah es nämlich mit Steve Brusatte, angesehener Wissenschaftler und erfolgreicher Autor des Buches „Aufstieg und Fall der Dinosaurier“, das auch mich mehr als begeistern konnte. Es ist schon fast blasphemisch, dass sich der Autor nun den vermeintlich unspektakuläreren Säugetieren zuwendet, die stets im Schatten der Dinosaurier standen und selbst mit zeitgenössischen Vertretern wie Elefanten, Kamelen und Co. nicht die gleiche Faszination auslösen wie T-Rex und Verwandtschaft. Oder steckt in den Säugetieren doch viel mehr?
Steve Brusatte startet mit einem ganz simplen Vergleich: Das größte Lebewesen, das jemals existiert hat, lebt noch heute und ist ein Säugetier – der Blauwal. Er ist sich sicher: Würde man in wenigen Millionen Jahren Fossilien eines Blauwals finden, würde dieser eine ähnliche Begeisterung hervorrufen wie der T-Rex. Und während jedes dinobegeisterte Kind sich wünscht, einmal einen lebendigen Dinosaurier zu sehen, lebt doch das größte aller Tiere noch unter uns. Ich muss zugeben: Die Begeisterung sprang mit dieser Erklärung schnell auch auf mich über.
Mit diesem Startschuss führt Brusatte über 10 Kapitel plus Epilog durch die Evolution der Säugetiere. Die Geschichte startet da, wo es noch keine Säuger gibt. Vielmehr musste sich im Karbon die Säugetier-Stammlinie von jener der Reptilien abzweigen. Diese Synapsiden entwickelten sich über weitere Zwischenformen zu den ersten Säugetieren, die in der Trias auftraten. Dies hätte der Startschuss einer gigantischen Evolutionswelle werden können, hätte sich zur selben Zeit nicht eine andere Gruppe entwickelt: die Dinosaurier. Erst nach deren Aussterben konnten sich die Säugetiere in ihre heutigen modernen Formen bzw. deren Vorläufer diversifizieren.
„Die Saurier hielten die Säugetiere davon ab, zu wachsen, das ist richtig, aber die Säuger taten etwas mindestens ebenso Beeindruckendes: Sie hinderten die Dinosaurier am Schrumpfen.“
Die evolutionären Zusammenhänge, die Steve Brusatte ausführlich beschreibt, sind sehr spannend geschrieben und schlüssig aufgebaut. Dennoch bleibt ein Vergleich zu seinem Meisterwerk „Aufstieg und Fall der Dinosaurier“ nicht aus. Denn während man in dem Buch an den Seiten förmlich klebt und sich automatisch von den Dinosauriern faszinieren lässt, verliert der Autor in „Eine neue Geschichte der Säugetiere“ immer wieder die Zügel aus den Händen. Manche Abschnitte sind langatmig, sodass man nur dranbleibt, wenn man wirklich an dem Thema interessiert ist. Die vielen Fachbegriffe lassen sich natürlich nicht umgehen, aber auch sie erschweren einen Lesefluss erheblich. Vielleicht wäre hier eine intelligentere Lösung möglich gewesen.
Pluspunkte gewinnt das Buch durch seine vielen Abbildungen, Fotografien und Zeichnungen. Sinnvoll in die Texte eingebunden, verhindern sie, dass das Geschriebene allzu trocken daherkommt. Die meisten entsprechen zudem den neuesten wissenschaftlichen Erkenntnissen und sind daher aktuell und auf fachlich hohem Niveau. Ob nun dieses hohe Niveau auch Leserinnen und Leser populärwissenschaftlicher Literatur an die Seiten fesselt oder nur fachlich Interessierte, ist fraglich. Zumindest bietet das Buch aber einen faszinierenden Einblick in die Evolution der Säugetiere.
Fazit
Will man den modernen Menschen verstehen, bleibt es nicht aus, sich mit unserer evolutionären Vergangenheit auseinanderzusetzen. Vor allem muss man aber mit der Erkenntnis klarkommen, dass wir diesen Planeten mit über 6000 verschiedenen Säugetieren teilen und wir alle den gleichen Ursprung haben. Das alles und noch viel mehr steckt in diesem faszinierenden Sachbuch, das hochaktuell, spannend und visuell ansprechend ist.
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