Edith Stein

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Carola Krauße-Reim
7101

Sachbuch-Couch Rezension vonOkt 2022

Wissen

Fußt auf schon Bekanntes und bietet keine neuen Erkenntnisse oder Ansätze.

Ausstattung

Absolut textlastig, keine Fotos oder eine Kurzbiografie. Im Anhang befindet sich lediglich ein Literaturverzeichnis

Biographie einer kaum bekannten Heiligen

Die Jüdin Edith Stein wurde 1891 in Breslau geboren. Sie promovierte in Philosophie bei Edmund Hussel, ging mit ihm nach Freiburg, wo sie später mit Martin Heidegger arbeitete. Ihre Zulassung zur Habilitation wurde ihr aufgrund ihres Geschlechtes und ihrer Religion mehrfach verwehrt. 1922 konvertierte sie zum katholischen Glauben und trat 1933 in die Ordensgemeinschaft der unbeschuhten Karmeliterinnen ein, wo sie den Namen Teresia Benedicta vom Kreuz erhielt. Die Nazis sahen in ihr weiterhin eine Jüdin, verhafteten sie am 2.8.1942 und deportierten sie zusammen mit ihrer Schwester nach Auschwitz-Birkenau, wo sie wahrscheinlich am 9.8.1942 in der Gaskammer starb. 1987 wurde sie von der katholischen Kirche selig gesprochen, 1998 erfolgte die Heiligsprechung.

Ein umtriebiger Autor

Klaus-Rüdiger Mai, der sich selbst als ausgesprochenen Luther-Experten bezeichnet, studierte Germanistik, Geschichte und Philosophie und promovierte zum Dr. phil. Neben Sachbüchern und diversen Artikeln hat er auch zahlreiche belletristische Romane verfasst. Seine Biografien von u.a. Michail Gorbatschow, Papst Benedikt XVI und Gutenberg fanden unter den Kritikern nicht nur Anklang. Jetzt versucht er sich Edith Stein zu nähern, wobei er sie aus der Sicht des Philosophen betrachtet. Edith Stein als Frau findet in dieser Biografie kaum einen Platz.

Zwei Biographien dienen als Grundlagen

Man sollte unbedingt schon einiges Wissen über Edith Stein besitzen, bevor man sich an dieses Buch begibt. Mai wirft die Leserschaft sofort und ohne Vorstellung der Person in die Biografie. Wer auf eine Einführung von Edith Stein oder eine Darlegung auf welchen Blickwinkel oder Fokus diese Lebensbeschreibung fußt, hofft, wird enttäuscht. Mai bedient sich in seinen Erläuterungen zudem über lange Strecken an der Autobiografie Steins und der Biografie ihrer Nichte Susanne M. Batzdorff. Dadurch darf man auf keine neuen Erkenntnisse oder Gegebenheiten aus dem Leben Steins hoffen. Der Ansatz, sie als ständig Suchende und Fortschreitende zu sehen, reduziert sie enorm, obwohl auch in diesen Bereichen viel über sie zu sagen ist. Doch die Dramatik ihres Lebens bleibt so kaum wahrnehmbar. Zudem schweift Mai oft in Nebensächlichkeiten ab, die den Fortlauf der Biografie behindern und die Lektüre erschweren. Mir hätte eine stringentere Einhaltung der Chronologie besser gefallen. Zudem hatte ich Fotos oder Zeichnungen erhofft, doch auch diese sucht man in den über 300 Seiten vergebens.

Ein schwieriger Stil erwartet die Leserschaft

Schon nach den ersten Seiten stellt sich die Frage, welchen Personenkreis diese Biographie ansprechen soll. Der Stil ist in seiner Ausdrucksweise wissenschaftlich geprägt, kann kaum populärwissenschaftlich bezeichnet werden. Der Inhalt allerdings dürfte für Wissenschaftler zu mager sein, denn neue Erkenntnisse oder kritische Ansatzpunkte findet man nicht. Mai gibt dem Buch den Untertitel „Geschichte einer Ankunft“ und will „den Roman des Lebens dieser außergewöhnlichen Frau – den Wildfang der Moderne“ „mitreißend“ erzählen. Schon der Begriff „Wildfang der Moderne“ dürfte Edith Stein kaum gefallen haben und unter „mitreißend“ verstehe ich etwas anderes. Zweifellos ist der Weg der ständig Suchenden bis zu ihrer Ankunft im erfüllten Sein einer Nonne spannend. Doch hat Mai es nicht vermocht, in Edith Stein auch die Frau und nicht nur die Wissenschaftlerin, die sich mit der Phänomenologie und Mystik befasst, zu sehen.

Fazit

Keine Biografie im herkömmlichen Sinn, sondern eine Aufarbeitung der geistigen Arbeit von Edith Stein. Das dürfte für eine Leserschaft von populärwissenschaftlich gehaltenen Biografien wenig ansprechend sein, für Wissenschaftler allerdings könnte der Inhalt kaum Neues bieten. Wer dennoch mehr über das Denken der Heiligen erfahren will, könnte sich hier gut aufgehoben fühlen.

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