Die Wikinger aus einer neuen Perspektive betrachtet
Die meisten haben zumindest schon einmal von den Wikingern gehört. Für viele sind sie jedoch nicht eine differenziert zu betrachtende Volksgruppe aus Skandinavien, sondern nur die plündernden Horden aus dem hohen Norden. Mit ihnen verbindet man durch Manneskraft geruderte Schiffe und wagemutige Krieger mit geflügelten Helmen auf blonden langen Haaren. Doch diese Attribute sind von außen oktroyiert und zeigen nicht, wie es innerhalb dieser Gemeinschaft wirklich aussah. Neil Price ist Professor für Archäologie und Frühgeschichte an der Universität Uppsala und allgemein anerkannte Koryphäe für die Zeit der Wikinger. Im vorliegenden Buch begibt er sich jetzt in die andere Betrachtungsperspektive - er will quasi von innen, aus der Mitte der Wikinger heraus ihre Gesellschaft mit allen ihren Facetten betrachten. Dafür zieht er neuste Erkenntnisse aus der Feldforschung und aus anderen Bereichen der Archäologie heran.
Die Wikinger und ihre Welt
Die Zeit der Wikinger beginnt in vielen Publikationen noch heute mit dem Überfall auf die Klosterinsel Lindisfarne im Jahr 793 n. Chr. Natürlich gab es sie schon vorher, doch erst ab diesem Datum treten sie in den Fokus der restlichen Welt. Doch wer waren sie und woher kamen sie? Selbst heute noch können nur wenige Auskunft geben, wer die Wikinger eigentlich wirklich waren. Diese ausgedehnten Wissenslücken werden nun endgültig geschlossen. Price geht in seinem weit über 700 Seiten dicken Buch auf alle Bereiche des Lebens der s.g. Wikinger ein und erklärt vorab vor allem, was man unter ihnen eigentlich korrekt zu verstehen hat. Sie sind nämlich nicht als ein Volksstamm zu sehen, sondern als unterschiedliche skandinavische Ethnien. Sie lebten in allen Gebieten des Nordens – von Island über Dänemark bis zu den heutigen skandinavischen Ländern. Ihr Leben war, wie jede Gemeinschaft, bestimmt durch Hierarchien, Gebräuche, einer Religion, den Totenkult und zahlreichen Mythen. Price beschreibt das alles und zeigt das alltägliche Leben genauso, wie auch die Ausnahmesituationen, wie Tod und Raubzüge. Er vermittelt das Verhältnis zur Macht und zur Gewalt, beschreibt die Götterwelt und zitiert aus ihren Geschichten. Er deckt wirklich jeden Bereich des Lebens ab und untermauert seine Sicht von innen nach außen mit zahlreichen neuen Fakten. Selbst das Ende der Wikinger-Ära wird differenziert betrachtet, denn neben dem aufkommenden Christentum spielten auch Machtverschiebungen und einige andere Faktoren eine ausschlaggebende Rolle.
Spannend zu lesen
Das Buch ist zwar populärwissenschaftlich anzusehen, jedoch enthält es unglaublich viele Details, denn Price geht wirklich auf jede Einzelheit ein. Das macht es vor allem für eine Leserschaft interessant, die nicht nur einen groben Überblick der Materie erhalten will, sondern bereit ist, ganz tief in die Welt der Wikinger einzutauchen. Dabei ist die Lektüre alles andere als trocken, denn der Autor versteht sowohl klar und deutlich als auch extrem spannend zu schreiben. Immer wieder bezieht er Grabungsorte, Funde und neu aufgeworfene Fragen mit ein. Zahlreiche Zeichnungen, Karten und Fotos runden das ganze dazu visuell ab, wobei es davon ruhig mehr hätte geben können - Abbildungen kann man nie zu viele haben. Wer dann immer noch Fragen hat, bekommt mit den fast 70 Seiten Literaturhinweisen eine gute Quelle an die Hand, um tiefer zu graben.
Fazit
Wer sich für die Wikinger interessiert, braucht dieses Buch! Eine allumfassende Betrachtung des Lebens und Wirkens der Menschen aus dem hohen Norden, die so viel mehr waren als plündernde Horden und Flügelhelm tragende Krieger.
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