Das Ende der Evolution

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Julian Hübecker
5101

Sachbuch-Couch Rezension vonMär 2020

Wissen

Es wird dem Leser einiges abverlangt, da zu viele Statistiken und Fakten gebracht werden. Der eigentliche Inhalt geht so verloren.

Ausstattung

Viele Quellen zeugen vom ausführlichen Recherchieren; es fehlt jedoch an Bildern und Grafiken.

Über die Vernichtung der Arten

„Obwohl wir nur diese eine Erde besitzen, leben wir längst in einer Weise über unsere Verhältnisse, die befürchten lässt, dass das Ender der Evolution nahe sei (…).“

Wenn man das Buch das erste Mal in die Hand nimmt, muss man ob der Dicke und Schwere erstmal schlucken. Ist der anfängliche Schock verdaut, blättert man durch die Seiten und sucht nach Bildern in der Textflut – doch Fehlanzeige. Das heißt also: ran an den Klopper über den Verlust der Biodiversität.

„Doch mit der biologischen Lebensfülle, der uns umgebenden Artenvielfalt derart ignorant und rücksichtlos umzugehen, (…), ist ein ebenso gewaltiger Fehler, wie den menschengemachten Klimawandel zu ignorieren; vielleicht sogar der größte Irrtum der Menschheit.“

Das Ende der Evolution gliedert sich in drei Teile. Im ersten geht es um uns Menschen. Ausführlich wird über unsere Entwicklung berichtet, über uns als das große Problem dieses Planeten, über das Bevölkerungswachstum sowie über die zunehmende Verstädterung.

Im zweiten Teil geht es um die Arten an sich: Wie viele Spezies zählt die Erde? Was bedeutet das Aussterben einschlägiger Arten, wie dem Tiger oder dem Luchs, für uns? Gelten sie als schützenswerter, nur weil sie in der Öffentlichkeit mehr Aufmerksamkeit bekommen? Die Big Five Afrikas (Löwe, Leopard, Nashorn, Elefant und Büffel) werden ebenso betrachtet wie das deutschlandweite Vogelsterben oder die abnehmende Insektenvielfalt.

Im letzten Teil geht es um die Betrachtung des Ganzen: Es sterben nicht nur einzelne Arten aus, sondern ganze Ökosysteme sind bedroht. Durch die Vernetzung all der darin befindlichen Lebewesen sind sie höchst fragil: Wird eine Verknüpfung durchschnitten, beeinflusst dies die damit verbundenen Arten und dadurch wiederum andere Arten… und so weiter, bis das Netz unwiderruflich zerstört ist. Der Autor spricht von einer „Defaunation“ (wobei hier natürlich auch die Flora Teil des Untergangs ist), von Plünderungen ganzer Landschaften. Es ist ein beängstigendes Szenario, das hier ausgebreitet wird.

„Was wir hier unten auf der Erde so leicht vergessen (…): dass unser Planet in der Tat eine winzige lebensfreundliche Welt ist (…) und dass er (…) die einzig bewohnbare aller Welten ist.“

Soweit zum Inhalt, dessen Aufbau durchaus Sinn ergibt. Doch kommt nach Beenden des Buches die Frage auf, für welche Zielgruppe es gedacht ist. Nicht nur, dass es viel zu dick und ausführlich ist, um damit einen Laien anzulocken, ist es selbst für mich als Biologen und Verfechter des Artenschutzes einfach nicht interessant zu lesen. Zugegeben, das Buch hat Inhalt – die gut hundert Seiten Anmerkungen und Literaturangaben sprechen eine deutliche Sprache. Doch dieser Inhalt wird nicht ansprechend vermittelt.

Die Vernichtung der Arten ist ein großes, zentrales Problem der heutigen Zeit und wird von der Allgemeinbevölkerung stark unterschätzt. Gerade deshalb sind solche Bücher wichtig, um aufzuklären und zu schockieren. Das Ende der Evolution wird diesem Anspruch aber nicht gerecht, sondern verliert sich in zu vielen Fakten. Dadurch wiederholt sich der Autor ein ums andere Mal und zieht seine Aussagen unnötig in die Länge. Vor allem die ganzen Zahlen und Statistiken lesen sich beschwerlich.

Deutlich angenehmer wären daher Grafiken, Diagramme und Bilder gewesen, um das Geschriebene zu unterstützen und zu ergänzen. Schließlich werden die meisten der im Literaturverzeichnis aufgeführten Studien und Quellen über Schaubilder und Modelle verfügen, an denen man sich mit dem jeweiligen Copyright hätte bedienen können. Warum darauf verzichtet wurde, ist schleierhaft.

Ziemlich zu Beginn stellt der Autor klar: „Dieses Buch folgt einem Drehbuch, hat seine eigene Choreographie und Chronologie.“ Das kann man so unterschreiben, denn ein roter Faden ist nicht offensichtlich. Irgendwann wird doch klar, worauf der Autor hinaus möchte, warum das Ende der Evolution nicht nur als provozierender Titel gewählt wurde, sondern auch einen Hintergrund hat. Dennoch wird es nicht für jeden erhellend sein.

 „Just hier aber, in unserem spannungsreichen Verständnis von Natur versus Kultur des Menschen, liegt bis heute eine der Ursachen für unsere derzeitige prekäre Situation.“

Ja, es ist ein unglaubliches Werk, das Matthias Glaubrecht hier erarbeitet hat, und dem muss man ein hohes Maß an Respekt zollen. Schlussendlich bleiben für mich zwei Highlights: Die beiden alternativen Rückschauen auf das Jahr 2062, die einmal einen Untergang sowie einmal die Rettung der Welt inszenieren und damit einen spannenden Blick auf die Zukunft bieten; und das umfassende Verzeichnis von Studien, Büchern und anderen Quellen, derer ich mich mit Sicherheit auch öfters bedienen werde.

Fazit:

Das Ende der Evolution kann getrost als ein wissenschaftliches Werk angesehen werden. Leider fehlen ihm ein roter Faden, ein kompakter Aufbau sowie visuelle Unterstützung. Für die Allgemeinheit ist das Buch eher nichts, für den wissenschaftlich Interessierten aber durchaus zu empfehlen.

Das Ende der Evolution

Matthias Glaubrecht, C.Bertelsmann

Das Ende der Evolution

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