Ami go home!

  • Econ
  • Erschienen: März 2021
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Andreas Kurth
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Sachbuch-Couch Rezension vonMär 2023

Wissen

Stefan Baron hat eine große Fülle an Fakten und Zitaten recherchiert und gesammelt. Dennoch behält der Leser den Überblick, der Autor verzettelt sich trotz des komplizierten Themas nicht. Vielmehr lädt er an etlichen Stellen eher zur vertiefenden eigenen Recherche ein.

Ausstattung

Statt wissenschaftlicher Zitierhinweise und Anmerkungen, die er bewusst weggelassen hat, liefert der Autor eine kompakte Literaturliste und ein Personenregister. Hilfreich sind zudem die beiden Karten auf den Innenseiten der Buchdeckel - beides macht viele Aussagen des Buches anschaulicher.

Wie kann Europa seinen Weg in der neuen multipolaren Welt finden?“

Um es gleich deutlich zu machen: Das Werk von Stefan Baron ist ein ziemlich kompliziertes Buch. Nicht weil einige seiner Thesen durch die Zeit bereits in Frage gestellt wurden, sondern weil er über ein weit komplexeres Thema schreibt, als es der plakative Titel vermuten lässt. Und Politikwissenschaftler Baron betont gleich in seiner Einleitung, es sei kein antiamerikanisches Buch, sondern ein Buch für ein besseres Amerika. Und eben auch ein Buch für ein anderes, eigenständigeres Europa.

Es lohnt sich in meinen Augen auf jeden Fall, sich auf die breit gefächerte Analyse von Stefan Baron einzulassen. Dass Europa vor großen Herausforderungen steht, vor einem entscheidenden Jahrzehnt, wird kein Experte oder Beobachter bestreiten, und das hat sich auch durch den Ukraine-Krieg nicht geändert. Barons Forderung nach einer Emanzipation Europas ist ein Diskussionsthema, das Bürger und politische Entscheider schon länger beschäftigt - und noch beschäftigen wird.

Allein schon, weil die Europäische Gemeinschaft bei der Rettung der Welt vor dem ökologischen Armageddon die Vorreiterrolle anstrebt, muss sie sich von den Vereinigten Staaten unabhängig machen.”

Zunächst beschreibt der Autor den geopolitischen Epochenwechsel, wie er ihn wahrnimmt. Baron liefert viele Fakten und Zitate, um seine These zu belegen, dass Russland möglicherweise tatsächlich über die Osterweiterung der NATO getäuscht wurde. Der aktuelle US-Präsident war unter Barack Obama Ukraine-Beauftragter - den sogenannten Maidan-Prozess hin zur EU-Orientierung der Ukraine bezeichnet Stefan Baron als gelenkten Staatsstreich, der mit Millionen aus dem Westen unterstützt worden sei. Hier, wie an vielen anderen Stellen, müsste man neben den vielen Quellen, die der Autor anführt, eigene Recherchen anstellen, um das Thema zu vertiefen und seine Thesen zu überprüfen.

Baron bespricht auch die Kriege seit 2001, also Afghanistan und den Irak. Die Weigerung zur Teilnahme am Irak-Krieg nennt der Autor eine Sternstunde der deutschen Außenpolitik. Das amerikanische Ziel dieser Kriege ist für den Autor klar, es ging stets darum, den Iran einzuschnüren. Baron zählt weitere kritische Punkte in der amerikanischen Politik auf: der Ausstieg aus dem Pariser Klima-Abkommen, die Aufkündigung des Atomabkommens mit dem Iran, und die Kündigung oder das Auslaufen-lassen diverser Abrüstungsvereinbarungen, und schließlich der Umgang mit der UNO und ihren Teilorganisationen.

Seine grundlegende Kritik kann ich hier gar nicht ausführlich beschreiben, aber Stefan Baron beschreibt auch ausführlich und gut nachvollziehbar den Wandel in der amerikanischen Innenpolitik, der mit den unglaublichen Vorkommnissen rund um die jüngste Präsidentenwahl ihren Höhepunkt gefunden hat. Anschließend widmet er sich ebenso ausführlich dem Verhältnis zwischen den USA und China. Er beschreibt die Wirtschaftssysteme von Russland und China als hochgradig komplementär, hier werden seine Ausführungen aktuell gerade durch die voranschreitende Partnerschaft zwischen den beiden Ländern bestätigt.

Das Buch ist nicht nur hochkomplex, sondern Stefan Baron ist es gelungen, in einem relativ kompakten Buch die neue Weltlage mit den komplizierten Beziehungen zwischen USA, Europa und China anschaulich und lesenswert darzustellen.

Wer meint, China links liegen lassen zu können, droht auf das Abstellgleis der Geschichte zu geraten.”

Zum Thema Verteidigungspolitik zitiert Baron die frühere Kanzlerin Merkel mit ihrer Aussage, Europa werde sich selbst um seine Sicherheit kümmern müssen. Und auch der französische Präsident findet mit seinen Aussagen zur NATO seinen Platz in diesem Buch. Im Zeichen des russischen Angriffskriegs gegen die Ukraine sollte - und wird vermutlich auch - der Autor seine Thesen zur Zukunft Europas und der möglichen Europäischen Verteidigungsgemeinschaft gründlich überdenken. Seine Recherchen und die kritische Beschreibung der US-amerikanischen Außenpolitik sind davon in meinen Augen allerdings unberührt.

Fazit

Stefan Baron hat ein Buch geschrieben, das für zahlreiche Debatten sorgen dürfte - unabhängig von der politischen Entwicklung seit dem Erscheinen des Werkes. Hervorragend recherchiert, spannend und gut lesbar geschrieben, zur eigenen Recherche anregend - ein lesenswertes politikwissenschaftliches Werk, das viele aktuelle Entwicklungen messerscharf analysiert und aufzeigt, welche Wege es in der internationalen Politik in naher Zukunft geben könnte. 

Ami go home!

Stefan Baron, Econ

Ami go home!

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