Al-Aqsa oder Tempelberg

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Carola Krauße-Reim
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Sachbuch-Couch Rezension vonJan 2022

Wissen

Ausstattung

Eine detaillierte Aufarbeitung des Tempelberg-Konfliktes

Für die Moslems ist es al-Haram-al-Sharif, für die Juden der Tempelberg – die Erhebung mitten in der Jerusalemer Altstadt bietet seit Jahrzehnten ein hohes Konfliktpotential und spiegelt den Nahost-Konflikt im Kleinformat wider. Der Historiker und Journalist Joseph Croitoru erzählt die 3000 Jahre alte Geschichte dieses Berges und zeigt dabei eindrücklich die Verwurzelung der drei Weltreligionen (Christentum, Islam und Judentum) mit diesem Ort.

Vom 1. Tempel bis zur Tempel-Bewegung 2020

Die Geschichte des Berges Morija in Jerusalem beginnt mit der Errichtung des ersten Tempels unter König Salomon. Dieser wird zerstört, wie auch der zweite unter König Herodes errichtete Tempel. Lange liegt die Anlage brach, bis nach der muslimischen Eroberung dort die erste Moschee, Al-Aqsa, und in den Folgejahren der Felsendom errichtet wird. Heute ist das Plateau des Berges die drittheiligtes Städte des Islam; die Westmauer (Kotel oder auch Klagemauer) als einziges Relikt des herodianischen Tempels ein wichtiger Ort für die Juden. Zurzeit haben die Moslem die Hoheit über den al-Haram-al-Sharif, Juden ist es eigentlich verboten den Boden zu betreten, doch seit einigen Jahren streitet eine Gruppierung orthodoxer Juden für eine Rückeroberung des Plateaus. Sie finden vermehrt Unterstützung durch die israelischen Behörden, wodurch immer mehr Juden das Areal betreten und dort beten, was zwangsläufig zu Konflikten zwischen den Religionen führt.

Fake News gab es schon immer

Croitoru zeigt die Instrumentalisierung dieses Ortes mitten in Jerusalem, der zum Zankapfel vor allem zwischen Juden und Moslems geworden ist. Lange störten sich die Juden nicht an der muslimischen Oberhoheit über den Berg, waren, wie man meinen könnte, auch nicht am Kotel interessiert. Es scheint, dass die im östlichen und damit muslimischen Teil der Altstadt gelegene, mit Unkraut übersäte Wand erst interessant wurde, als Juden in der Diaspora Interesse an ihr zeigten und sie bald einen Grund zum Betreten des muslimischen Viertels darstellte. Erst jetzt wurden die Mauer und bald der ganze Berg zum Zankapfel.Dabei spielen Fake-News seit Anbeginn des Konfliktes eine große Rolle. Die Gegenseite wird attackiert, damit zu unvorbereiteten und unkontrollierten Handlungen animiert, was dann als Bestätigung der gefakten These führt. In der Angst die Kontrolle zu verlieren, ist keine Seite bereit Zugeständnisse zu machen, was wenig Hoffnung auf die Lösung des Konfliktes gibt.

Fundierte Recherche mit kleinen Fehlern

Der in Israel geborene Autor bemüht sich bei diesem polarisierenden Thema um Neutralität und stützt sich auf unumstößliche Fakten, die er aus zahlreichen Grundlagen recherchiert hat. Im Anhang ist die verwendete Literatur, neben akribisch gelisteten Anmerkungen, einer Zeittafel und einem Personenregister aufgelistet und kann Interessierten zur vertiefenden Aufarbeitung dienen. Zahlreiche Bilder ergänzen den zwar populärwissenschaftlich geschriebenen, aber dennoch sehr anspruchsvollen Text, der aber auch für interessierte Neueinsteiger in dieses Thema gut zu bewältigen sein dürfte. Leider haben sich einige kleine Fehler in die Informationsflut eingeschlichen. So verwechselt der Autor u.a. den Tempelberg mit dem Zionsberg, der diesem gegenüber liegt oder behauptet, die Psalme auf den jüdischen Misrach-Tafeln würden aus der Bibel (ein Buch, das für Juden keine religiöse Bedeutung hat) und nicht, richtigerweise, aus den Tehellim stammen. Aber diese Ungereimtheiten schmälern die hervorragend erarbeiteten Informationen nur marginal, die korrekten Fakten überwiegen und lassen tief eintauchen in einen Konflikt der zwar lokal ausgetragen wird, aber die ganze Welt beschäftigt.

Fazit

Joseph Croitoru veranschaulicht auf der Grundlage gut recherchierter Fakten den Konflikt um den al-Haram-al-Sharif und den Kotel, die sogenannte Klagemauer. Für Kenner des Themas dürfte nur wenig Neues zu finden sein, aber für Neueinsteiger in diesen immer aktuellen Konflikt birgt der populärwissenschaftlich gehaltene Text unendlich viel Interessantes, was dazu durch zahlreiche Fotos hervorragend ergänzt wird.

Al-Aqsa oder Tempelberg

Joseph Croitoru, C.H.Beck

Al-Aqsa oder Tempelberg

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