Fantastische Pilze

Film-Kritik von Julian Hübecker (04.2022) / Titelbild: © polyband Medien GmbH

Pilze bilden eine Welt, die viele Menschen noch unbeeindruckt lässt – sieht man von den Pilzsammlern ab, die sich alljährlich auf die Suche nach den begehrtesten und schmackhaftesten Speisepilzen machen. Dabei hat jeder Pilz das Potential, medizinische Geschichte zu schreiben: Ungeahnte Stoffe schlummern noch unentdeckt, die aber die Menschheit revolutionär verändern können. Daher steckt die Pilzforschung noch in den Kinderschuhen – nicht zuletzt, weil diese geheime Welt vielen nicht interessant genug erscheint. Vielleicht kann dieser Film ja etwas daran ändern …

Über 3,8 Millionen Arten, und täglich kommen neue dazu

Regisseur Louie Schwartzberg wird oft gefragt, warum er gerade einen Film über Pilze gemacht hat. Darauf antwortet er, er hätte keinen Film über Pilze, sondern über ein alternatives Universum gedreht. Die Vielfalt der Chancen, die diese sonderbaren Wesen bieten, die weder Pflanzen noch Tiere sind, vom Aufbau her aber eher zu den Tieren passen, ist unvergleichlich. Und mit jedem Hektar Land, den wir verlieren (vor allem im Regenwald), ist wieder ein Stück Chance verloren, Heilmittel gegen Krebs, Alzheimer und vieles mehr zu finden.

Begleitet werden hier Forscherinnen und Forscher, die Pilzforschung betreiben. Allen voran ist Paul Stamets ein Pionier, der früh erkannt hat, welche Möglichkeiten Pilze bieten. Insbesondere die psilocybinhaltigen Pilze sind nicht nur für ihre berauschende Wirkung bekannt, weshalb die Forschung an ihnen lange Zeit untersagt wurde. Die Behandlung von Depressionen ist eine mögliche Anwendung, die in Studien nun endlich nachvollzogen werden konnte.

Doch fernab von der Medizin weiß man schon lange, welche grundlegende Bedeutung Pilze für die Natur haben: Sie reinigen die Luft, zersetzen organische und anorganische Materie, lockern den Boden und sind wichtige Partner für Pflanzen. Noch dazu sind einige wichtige Speisepilze und spielen auch kulturell eine große Rolle.

Ein bildgewaltiger Genuss

Ein Film über Pilze bietet spektakuläre Bilder: Schließlich gibt es sie in allen Farben und Formen. Manche leuchten sogar im Dunkeln, andere kriechen über den Boden und wieder andere nehmen enorme Ausmaße an.

Doch hier kommen noch geniale Computereffekte hinzu, die geradezu monumental sind. Der Boden ist durchzogen von Abermillionen Hyphen – Pilzfäden, die wie ein Netzwerk die Erde zusammenhalten. Geniale Grafiken vermitteln eine Vorstellung davon, wie omnipräsent Pilze überhaupt sind. Ich garantiere, jeder wird die Welt unter unseren Füßen anders sehen!

So faszinierend jedoch die Bilder auch sind, so fehlt es doch etwas an Themenvielfalt. Zu sehr wird auf psychedelische Pilze fokussiert, die in der berühmten Hippie-Zeit verzehrt wurden und dadurch in Verruf gekommen sind. Die Diversität, die Pilze zu bieten haben, wird zwar über die zahlreichen Bilder gedeckt, aber man erfährt wenig darüber, wie Pilze der Menschheit eine neue Richtung geben könnten. So gibt es sogar Pilze, die Mineralöl oder Plastik zersetzen – dies aber wird beispielsweise nur kurz angesprochen.

Da muss man sich im Klaren sein, was man von der Dokumentation erwartet: Faszinierende und inspirierende Bilder bietet der Film allemal und die Bedeutung für uns Menschen wird klar vermittelt. Allerdings bekommt man keine Reise durch die reichhaltige Diversität der Pilze, über deren Lebensweise und warum genau sie Hoffnungsträger für all die hausgemachten Probleme sind, die uns beschäftigen. Vielmehr mutet es fast schon philosophisch an; man erlebt psychedelische und damit auch so einige Aha-Momente.

Fazit

Dokumentationen über Pilze gibt es bereits - und einige zeigen die beeindruckende Vielfalt an einigen Stellen sicherlich besser auf. Doch punktet dieser Film mit grandiosen Aufnahmen und Computereffekten sowie einer völlig neuen Herangehensweise, die Welt der Pilze zu betrachten.

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