The Big Bang Theory

The Big Bang Theory
The Big Bang Theory
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Michael Drewniok
7101

Sachbuch-Couch Rezension vonAug 2023

Wissen

Viel aufwändig recherchiertes Wissen wird unter ehrfurchtsvoller Hofberichterstattung verschüttet.

Ausstattung

Simples Layout mit eingestreuten Schnappschüssen vor und hinter den Kulissen der Serie.

Komik-Triumph der Nerds & Geeks

Zwischen 2007 und 2019 setzte die Serie „The Big Bang Theory“ jene (angebliche) Vorgabe außer Kraft, nach der kluge Menschen nicht lustig sein können, ohne sich als alltagsuntaugliche „Eierköpfe“ lächerlich zu machen. 279 Episoden kamen schließlich zusammen, die bis zum Ende ein erstaunlich hohes Unterhaltungsniveau halten konnten; ein Verdienst, das sich TV-erfahrene Humor-Handwerker hinter und eine Gruppe fähiger und miteinander harmonierender Darsteller vor der Kamera teilen durften.

„The Big Bang Theory“ wurde nicht nur zu einem sich breitbeinig erleichternden Goldesel für die beteiligten Produzenten und Sender, sondern auch ein Markstein der Trivialkultur, worüber sich zumindest jene Zuschauer wundern, die sich vor dem Bildschirm in erster Linie entspannen, aber nicht für dumm verkaufen lassen wollen - ein Anspruch, den sie zu Recht stellen, der jedoch längst nicht so oft erfüllt wird, wie dies TV- und Streaming-Sender vollmundig behaupten.

In unserem Fall wurde die Verortung einer einerseits episodischen, andererseits einem roten Faden folgenden Handlung in einem (wieso auch immer) als ‚humorarm“ verunglimpften Umfeld gefeiert - frenetisch und von dreistem Werbegetöse begleitet, wie dies (nicht nur) in den USA üblich ist. Wer bisher nicht an eine Sternstunde der intelligenten, sensiblen, minderheitenrelevanten Unterhaltung glauben konnte (oder wollte) hat nun die Gelegenheit, sich eines Besseren (?) belehren zu lassen.

Insiderin an der Leine

Unterhaltung ist seit jeher ein hartes Geschäft. Auch „TBBT“ - so das Kürzel, dessen Kenntnis den wahren „Big-Bang-Theory’-Fan adelt - ist weit mehr als eine Serie, sondern ein Franchise, d. h. eine Milchkuh, der so viele melkbare Euterzitzen wie möglich angezüchtet werden. Das hier vorgestellte Buch stellt das Bemühen dar, die Entstehungsgeschichte der Serie so nachzuzeichnen, dass niemand sich dadurch entlarvt oder beleidigt fühlt. Dies mag als Wortwahl seltsam wirken, verdeutlicht jedoch die Problematik eines ‚Insider-Reports‘, der tatsächlich dieser alten Regel folgt: „Wasch’ mir den Pelz, aber mach’ mich nicht nass!“

Jede TV-Produktion ist auch ein Ort des Unfriedens, an dem um Macht, Deutungshoheit und vor allem Geld gestritten wird. Läuft eine Serie zwölf Jahre, geht es erst recht hoch her. Darüber möchte zuallererst die Produktion unbedingt den berüchtigten Mantel des Schweigens ausbreiten: Angebliche Harmonie eint ein (womöglich bewusst) naives (Studio-) Publikum, das sein offenbar leeres Leben auf eine erfundene Handlung projiziert, die zu verfolgen ihm Trost und das offenbar bitter benötigte Trugbild einer Welt schenken, in der Probleme sich binnen 23 Minuten in Luft auflösen.

Zwar geht Autorin Jessica Radloff nicht so weit, uns das „TBBT“-Universum als Friede-Freude-Eierkuchen-Welt verkaufen zu wollen. Dennoch fällt ein feinporiger Filter auf, den die Informationen durchlaufen müssen, um so ‚enthüllt‘ zu werden, wie es denen gefällt, die dafür bezahlten, dass nach der „TGGT“-Musik getanzt wurde. Folgerichtig musste Radloff erst einmal unter Beweis stellen, dass sie ‚zum Team‘ gehören wollte, also keine unerfreulichen bzw. unerwünschten Geheimnisse ausplaudern würde. Dies betraf die Produktion der Serie, aber auch den Arbeitsalltag und die Privatsphäre der für dieses Werk befragten Schauspieler, Regisseure, Kulissenarbeiter etc.

Eine von uns!

Nachdem Radloff sich mehrere Jahre auf der „TGGT“-Bühne und dahinter bewährt (und moralisch zum Schweigen verpflichtende Freundschaften geschlossen) hatte, durfte sie dieses Werk verfassen, das auf mehr als 600 Seiten „sämtliche Geheimnisse“ genannter Serie lüftet. Manchmal bekommt man als Leser in der Tat einen Zipfel bisher nicht bekannter Fakten zu fassen, doch man muss sich diese Erfolge verdienen = durch eine Textwüste kämpfen, in der die Beteiligten sich notorisch gegenseitig in die Allerwertesten kriechen. Böse Worte gegen ehemalige Kollegen, Produzenten oder überhaupt die TV-Industrie? Kritik wird höchstens umständlich verklausuliert und windungsreich verschraubt zur Sprache gebracht.

Natürlich krachte es ordentlich vor und hinter den Kulissen, doch was nach Radloffs Weichspülgängen bleibt, sind selbst zum Zeitpunkt größten Streites - normalerweise um schnöden Mammon - von weisen Gutmenschen freundschaftlich/selbstlos beratene Kombattanten, die sich schnell beruhigten und erneut erkannten, dass es sie in ein (TV-) Paradies verschlagen hatte, in der sich alle liebhaben und unterstützen sollten.

Man muss viele solche Passagen gelesen haben, bis man gelernt hat zur eigentlichen Information hinter der wattigen Gefühlsduseligkeit vorzustoßen.

Oder liegt es an einer Zusicherung dieser ‚Zurückhaltung‘, dass sich ausnahmslos alle wichtigen „TBBT“-Menschen ausgiebig von Radloff ‚befragen‘ ließen? Dieser „Insiderbericht“ ist ein Fan-Buch, das die Serie zelebrieren soll. Dank Radloffs ‚Unbedenklichkeitsnachweis‘ bekam sie Zutritt zu durchaus interessantem Hintergrundmaterial, das auch im Bild gezeigt wird. Bühnenskizzen, Ablaufpläne, Drehbuchauszüge. Die Entstehung einer Erfolgsserie ist in erster Linie das Ergebnis harter Arbeit, die von vielen Menschen geleistet wird. Statt sie ausführlicher zu Wort kommen zu lassen, lässt die Autorin jedoch lieber ehrfurchtsvoll Chuck Lorre u. a. „TBBT“-Schöpfer (nach Radloff gottgleiche Lichtgestalten einer intelligenten, emotionalen, ewigen TV-Unterhaltung) in langen und sich in uninteressanten Details verlierenden Erinnerungen schwelgen.

Kürze ist Würze, aber nicht für Fan-Books!

In einem schier endlosen Nachwort bedankt sich Radloff nicht nur bei buchstäblich jedem Menschen, der ihr während der Recherchen über den Weg gelaufen ist, sondern umreißt einen durchaus eindrucksvollen Berg Arbeit, den sie sich für dieses Buch aufgehalst hat. Tatsächlich werden sämtliche Aspekte des „TBBT“-Franchises angesprochen, wobei ein Schwergewicht auf dem Spin-off „Young Sheldon“ liegt, das zum Zeitpunkt der Drucklegung noch läuft und den Lesern ausdrücklich an die Herzen gelegt wird.

Scheinbare Nähe zum Fan sollen auch zahlreiche Bilder erzeugen, die vor allem die Schauspielerin Kaley Cuoco (= „Penny“) über die Jahre hinter den Kulissen geschossen hat. Sie spiegeln überwiegend gestellte Fröhlichkeit wider und erinnern wohl gezielt an ein ‚privates‘, die Fans in den „TBBT“-Kosmos einbeziehendes Fotoalbum sowie an die unerhörte Gunst, die ihnen ihre Held/inn/en hier gewähren. Höchstens Johnny Galecki („Leonard“) bemüht sich leise um deutlichere Worte, die auch ‚gefiltert‘ (s. o.) seinen weiterhin offensichtlichen Ärger über einen oft anstrengenden und manchmal nervenzerrenden Drehalltag belegen.

Fazit

Ein vor allem seitenstarker, auch inhaltsreicher, aber sorgfältig ‚entschärfter‘ Blick hinter die Kulissen der Erfolgsserie „The Big Bang Theory“. Das Positive wird überhöht, das Negative relativiert; das Ganze wird gefühlsduselig abgeschmeckt: ein Buch für Fans, die sich ihre „TBBT“-Wunschvorstellungen bewahren möchten.

The Big Bang Theory

Jessica Radloff, Hannibal

The Big Bang Theory

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