Reisetagebuch aus einem weitgehend unbekannten Land.
Lutz Jäkel kennt den Nahen Osten. Er ist in Istanbul aufgewachsen, hat in Syrien und dem Jemen gelebt und zudem Islamwissenschaften studiert. Heute lebt der Fotojournalist und Autor in Berlin, bereist aber die ganze Welt und macht Reportagen und Fotos, die in namhaften Zeitschriften erscheinen und vielfach ausgezeichnet wurden.
Auf in den Wüstenstaat
Als das bis dahin abgeriegelte Saudi-Arabien 2019 urplötzlich Touristenvisa ausstellte, wollte sich Jäkel selbst ein Bild machen und den Staat bereisen. Doch erst 2023 und nochmals 2024 kam es dazu. Saudi-Arabien ist heute mehr denn je ein Land der Gegensätze: auf der einen Seite der Wille des Kronprinzen Mohammed bin Salman (MbS) das Land zu öffnen und einschränkende Regel zu lockern, auf der anderen Seite finden zurzeit so viele Hinrichtungen, wie nie statt; es gilt die Scharia und es gibt den Fall Khashoggi, der zeigt, wie mit Kritikern umgegangen werden kann. Diese Diskrepanzen sah auch Jäkel, wurde von „Schlagzeilen und Klischees“ in Vorurteile gedrängt. Doch schnell merkte er, dass es sich einmal mehr bewahrheitet hat, ein Land selbst zu bereisen um es kennen- und beurteilen zu können, denn „Und stellte schnell fest, dass ich noch nie ein Land bereist habe, dessen Außenwirkung mit den Realitäten vor Ort so kollidiert“.
Bildband, Reiseführer oder was?
Vom Verlag wird das Buch als „eindrucksvoller Bildband“ beschrieben. Doch ein Bildband der üblichen Art ist es nicht, dafür ist es zu textlastig. Ein Reiseführer mit vielen Bildern ist es aber auch nicht – dafür gibt es zu wenige Beschreibungen der Örtlichkeiten. Was ist es dann? Man könnte das Buch am besten als Reisetagebuch mit wunderbaren Bildern bezeichnen. Jäkel bereist das ganze Land und gibt seine Erlebnisse in einem sehr subjektiven und persönlichen Text wieder. Er beschreibt die Erlebnisse mit Menschen, denen er begegnet ist oder eigene Erfahrungen, die er während seiner zwei Reisen gemacht hat. Das Ganze wird durch zahlreiche Bilder ergänzt, die nicht nur das Land, sondern vor allem auch die Menschen zeigen, die im Text vorkommen. Diese Fotos können doppelseitig oder seitenfüllend sein oder auch kleinformatig im Text eingefügt. Aber alle zeigen die unterschiedlichen Facetten des Wüstenstaates.
Gewöhnungsbedürftig
Allein schon der sehr persönliche Text ist gewöhnungsbedürftig. Der Schreibstil tut sein Übriges. Manchmal abgehackt, manchmal ausschweifend ist er nicht gerade eingänglich und ähnelt mehr einer Tagebucheintragung als einem Reisebericht. Doch wenn man sich einmal daran gewöhnt hat, wird man in ein Land entführt, das mehr zu bieten hat als Ölindustrie und Wüste. Jäkel versucht die „Kontraste“ darzustellen und schafft das auch. Wenn er z.B. Techno-Clubs in Riad besucht oder das konservative Hail, eine Stadt im Norden, in der Frauen immer noch tief verschleiert sind. Oder er feststellt, dass in Saudi-Arabien ohne Handy nichts läuft, er dann aber auch fast mittelalterlich anmutende Werkstätten findet, in denen traditionelles Handwerk gepflegt wird. Er berichtet ausführlich von den Bikern in Khobar, trifft aber auch auf Kamele. Er sieht grüne Oasen und die unendliche Weite der Wüste. Jäkel schafft einen Blick in ein Land, das es wohl so nirgendwo sonst auf der Welt gibt.
Fazit
Ein bebildertes Reisetagebuch, das ein „Land voller Kontraste“ vorstellt. Wer Saudi-Arabien jenseits der Pressmeldungen kennenlernen will, ist hier genau richtig, auch wenn man sich erst an den sehr persönlich gehaltenen Text gewöhnen muss.



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