Papyrus

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Carola Krauße-Reim
6101

Sachbuch-Couch Rezension vonJun 2022

Wissen

Der Informationsgehalt schwankt enorm zwischen exorbitant trivial bis zu wissenschaftlich für Laien. Auch ist der Inhalt nicht fehlerfrei und überfrachtet von Namen und Buchtiteln

Ausstattung

Keine Fotos, keine Fußnoten und nur ein sehr unübersichtliches Quellenverzeichnis

Das merkwürdige Sammelsurium einer Buchbegeisterten

Die Klassische-Philologin Irene Vallejo kam auf die brillante Idee, die Geschichte zwischen der Entstehung der Bibliothek von Alexandria und dem Untergang der Römischen Reiches anhand von Büchern nachzuvollziehen. Was gerade für Buchliebhaber eine spannende Lektüre verspricht, entpuppt sich jedoch als eher unausgegorenes Sammelsurium von sehr individuellen Momentaufnahmen der Autorin, wenig fundiertem Wissen durchsetzt mit einigen Fehlern.

Der Stil ist sehr gewöhnungsbedürftig

Schon im Prolog zeigt sich der doch sehr ungewöhnliche Stil der Autorin. Sie beginnt ihr Buch mit einer kleinen Geschichte, um dann gleich wieder zu sich selbst zurückzukehren und ihre Gedanken und Probleme mit dem Beginn eines neuen Schreibprozesses erläuternd, die Leserschaft gleich einmal ratlos zurück zu lassen. Denn was hat das mit dem Thema des Buches zu tun? In diesem Stil geht es dann durch alle Kapitel des immerhin über 700 Seiten dicken Wälzers. Immer wieder springt Vallejo zwischen der Antike, eigenen Erlebnissen, erfundenen Geschichten, alten Schriften und moderner Literatur hin und her und macht dadurch das Buch inhaltlich wenig konstant.

Wer ist die Zielgruppe? 

Zweifelsfrei hat die Autorin sehr viel Literatur gelesen, haut sie uns die Namen von unzähligen Autoren und ihren Werken nur so um die Ohren. In der Annahme, dass ihre Leserschaft den gleichen Kenntnisstand hat, wird kaum Sekundärwissen genannt oder überhaupt mit Fußnoten gearbeitet. Die verwendete oder auch nur erwähnte Literatur, wird lediglich im Anhang unter den einzelnen Kapiteln gelistet. Dieses Konglomerat aus pseudo-akademischem Wissen und unwissenschaftlicher Präsentation, inklusive ständigen Abgleiten in persönliche Erlebnisse, stellt zwangsläufig die Frage nach der Zielgruppe dieses Buches. Für eine populärwissenschaftliche Publikation wird zu viel Grundwissen vorausgesetzt, eine wissenschaftliche Arbeit ist es aber aus besagten Gründen auch nicht.

Bücher sind ein wichtiges Kulturgut

Lässt man sich auf den ungewöhnlichen Stil der Autorin ein, findet man die Welt der Bücher von der Bestückung der Bibliothek in Alexandria bis zum Ende des Römischen Reiches. Vallejo zeigt den Einfluss, den ein Buch - oder überhaupt Schrift - auf die Geschichte haben konnte. Erst als Alphabete die Schrift revolutionierten, verließ diese die Amtsstuben und Tempel und wurde zum Allgemeingut. Es entstanden Werke, die sich außerhalb der bis dahin üblichen rein theologischen oder ökonomischen Verwendung befanden.

Bücher unterliegen immer auch dem Zeitgeist und spiegeln oft die Zustände in der Gesellschaft wieder. Dadurch sind sie ein Abbild der Vergangenheit und erlauben nachfolgenden Generationen Einblicke in eine vergangene Welt. Das alles schildert Irene Vallejo auf ihre sehr umständliche, verworrene und wenig lesefreundliche Art. Leider haben sich dazu noch Fehler eingeschlichen, die einer, in der Antike angeblich so bewanderten Autorin nicht hätten passieren dürfen.

Der Text ist inhaltlich nicht fehlerfrei

Irene Vallejo studierte klassische Philologie und ist nach eigenem Bekunden von der Antike begeistert. Bei diesem Hintergrund ist es sehr erstaunlich, dass ihr inhaltlich Fehler im Text unterlaufen sind. Sie behauptet u.a., dass der Buchstabe „E“ von der ägyptischen Hieroglyphe eines Mannes mit erhobenen Armen abgeleitet ist, welche ursprünglich bedeutete „die Freude über deine Gegenwart“. Das ist nicht korrekt, denn dieses Zeichen hatte keinen phonetischen Wert, sondern wurde lediglich als Determinativ oder Idiogramm benutzt und hat mit dem Buchstaben „E“, den es übrigens in der ägyptischen Hieroglyphenschrift gar nicht gibt, überhaupt nichts zu tun. Ebenso behauptet die Autorin, dass erst die auf einem Alphabet basierende griechische Schrift den Raum für fiktive Literatur schaffte. Doch schon die Ägypter hatten Märchen und Fabeln, die in Hieroglyphen-Schrift abgefasst waren, welche auf keinem Alphabet fußt.

Fazit

Eine gute Idee wurde schlecht umgesetzt. Viel Information ist in einen gewöhnungsbedürftigen Stil verpackt – damit macht die Autorin das Buch zu wissenschaftlich für Laien und zu oberflächlich für Wissenschaftler. Wer bereit ist, in dieser Hinsicht Abstriche zu machen, kann mit viel Geduld die nicht ganz fehlerfrei geschilderte Geschichte zwischen dem Beginn der Bibliothek von Alexandria bis zum Ende der Römischen Reiches erleben.

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