Die Region am Persischen Golf ist ein dauerhaftes Pulverfass
Rund um den Persischen Golf lagert Erdöl in großen Mengen. Bis zum absehbaren Ende des Zeitalters der fossilen Brennstoffe ist die Treibstoffversorgung aus dieser Weltgegend für die Industriestaaten von essentieller Bedeutung. Politische Erschütterungen oder gar kriegerische Auseinandersetzungen werden daher in Ost und West mit höchster Aufmerksamkeit verfolgt. Guido Steinberg, der Anfang des Jahrhunderts für einige Jahre als Terrorismusreferent im Bundeskanzleramt gearbeitet hat, nutzt sein großes Wissen als Islamwissenschaftler und Politologe, um mit diesem Buch einen überaus fundierten Überblick zur komplizierten Lage in den Staaten am Golf zu geben.
Der zentrale Konflikt in der Golfregion
In seiner ausführlichen Einleitung gibt der Autor einen Kenntnisreichen Überblick und macht deutlich, dass es sich bei der Region um ein weltpolitisches Pulverfass handelt. Für Steinberg ist das konträre Verhältnis zwischen dem Iran und Saudi-Arabien der zentrale Konflikt in der Golfregion, ja im ganzen Nahen Osten. Zahlreiche Auseinandersetzungen zwischen Staaten und Gruppen werden dadurch geprägt, die aus dem Kalten Krieg bekannten Stellvertreter-Kriege gibt es hier in kleinerem Maßstab.
Der Autor schildert ausführlich das Verhältnis zwischen Saudis und Iranern seit der islamischen Revolution und der Machtübernahme der schiitischen Imame. Ayatollah Khomeini und seine Gefolgschaft haben von Beginn an auf Export der revolutionären Ideen gesetzt - was in Saudi-Arabien und anderen Staaten am Golf erhebliche Unruhe ausgelöst hat. Im ersten Golfkrieg zwischen Iran und Irak waren die Kapazitäten der Iraner dann jedoch gebunden. Einer Entspannungsphase in den 90er Jahren folgte die erneute Eskalation zwischen beiden Staaten nach 2003, als die Allianz um die USA im Irak einmarschierte. Nochmals verschärft wurde die Lage durch die Präsidentschaft von Mahmoud Amadinedschad ab 2005.
“Oberster Führer” regiert den Iran
Guido Steinberg zeigt im folgenden Kapitel, wie gründlich er recherchiert hat. Wort- und Kenntnisreich beschreibt er die inneren Verhältnisse im Iran, den er als “revisionistische Macht” im Nahen Osten tituliert. Neu war für mich, dass es im Iran einen “Obersten Führer” gibt, der diese Position auf Lebenszeit innehat. Der Präsident des Landes wird dagegen nur für vier Jahre gewählt. Solche Informationen, die im stetigen Nachrichtenstrom der Medien nicht so eingehend beleuchtet werden, oder die man auch als politisch Interessierter mal verpassen kann, machen dieses Buch in meinen Augen so wertvoll. Zentraler Punkt der iranischen Politik im jüngsten Jahrzehnt war das Atomabkommen, und nach der Kündigung durch US-Präsident Donald Trump hat sich daher die Lage dramatisch zugespitzt.
Herrscher-Familie ist überaltert
In Saudi-Arabien stellt sich die Überalterung der Herrscher-Familie als zentrales Problem dar. Auch hier glänzt der Autor wieder mit enormem Detailwissen, das er dem Leser anschaulich vermittelt. Die Saudis halten den Sturz Saddam Husseins im Irak noch heute für einen Fehler, weil dadurch die regionalpolitischen Ambitionen des Iran ungewollt befördert wurden. Neben den Problemen mit der schiitischen Minderheit im Land steht der Aufstieg Muhammad ibn Salmans in jüngster Zeit im Blickpunkt.
Bahrain war für mich als oberflächlichen Betrachter bislang ein unbeschriebenes Blatt. Guido Steinberg schildert, wie sehr der Mini-Staat am Tropf Saudi-Arabiens hängt. Dort wurde der arabische Frühling brutal niedergeschlagen, was zu einer Radikalisierung der schiitischen Opposition geführt hat.
In weiteren Kapiteln schildert Steinberg die Lage in Syrien, im Irak und Jemen, sowie den Konflikt zwischen Katar und den Vereinigten Arabischen Emiraten. Ausführlich geht es dann abschließend um den Konflikt zwischen der Supermacht USA und dem Iran, der für die Lage in der Region rund um den Golf besondere Bedeutung hat. Im Schlusskapitel präsentiert der Autor dann einige Thesen, die in meinen Augen das Buch sachkundig abschließen.
Fazit:
Für politisch interessierte Leser ist das kompakte Werk von Guido Steinberg eine echte Goldgrube. Der Islamwissenschaftler hat nicht nur eingehend recherchiert, sondern erzählt die Zusammenhänge und Fakten auch flüssig. Ein weiterer Pluspunkt ist die Kapiteleinteilung. Wer sich nur für bestimmte Aspekte interessiert, kann die entsprechenden Abschnitte lesen. Insgesamt ein Füllhorn an Fakten und Hintergrundwissen - interessant und überaus lesenswert. Das Buch regt zur weiteren Beschäftigung mit der Region und einzelnen Akteuren an, und das ist gut so.
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